Kinder bauen eine Orgel Winddruck

  • Guten Tag



    ich betrete dieses Forum (aus dem ich schon so viel Informationen und Inspirationen gezogen habe: danke hierfür) mit einem etwas anderen Projekt.

    Ich entwerfe zur Zeit eine "Orgel", die im Sommer in einem Feriencamp von Kindern tatsächlich gebaut wird. Es handelt sich um eine einfache Umsetzung des Orgelprinzips. Es wird also nicht darum gehen Oratorien auf ihr spielen zu können, sondern eher darum eine Klangmaschine zu bauen. Die Orgel wird im Wald stehen und besteht aus einer sechseckigen Konsole mit insgesamt 18 Tasten, die jeweils 2-4 (harmonisch auf einander abgestimmte) Pfeifen ansteuern. Diese werden voraussichtlich in den Bäumen hängen und sind mit Schläuchen, die aus dem Zentrum der Konsole kommen, verbunden. Die Orgel wird von 3 trapezförmigen Keilbälgen gefüttert, die in die Konsole integriert sind. Im Inneren der Konsole befindet sich der Ausgleichsbalg.

    Das mag nun reichlich abenteuerlich klingen (ist es wohl auch...), weshalb ich zum besseren Verständnis hier einige Entwurfszeichnungen/Modelle anführe:



    http://floriangwinner.de/pipetree



    Gerne würde ich nun dieses Forum anzapfen um Tips zum Thema Wind zu bekommen:



    1 Reicht die Balggröße?

    Ich würde die Orgel gerne mit 50-60 Pfeifen bestücken. Von etwa 200cm (F0 8') bis 25cm (F3 1') Länge. Die genaue Auswahl steht noch aus, ist aber ja auch von meinem Luftdruck abhängig. Als Laie ist es mir nicht gelungen herauszubekommen wie gross meine Bälge sein müssen. Mir ist klar, dass der richtige Weg wohl wäre dies genau zu berechnen, ausgehend von der beschlossenen Pfeifenauswahl. Ich frage mich ob es evtl. einfache Faustregeln gibt, oder ob jemand gefühls/erfahrungsmäßig beurteilen kann ob die Bälge ausreichen. Die Grundfläche eines Balges nach jetzigem Planungsstand ist 0,45 m2. Allerdings öffnet sich der Balg auf der langen Seite des Trapezes, was das Volumen, im Vergleich zu einem rechteckigen Balg gleichen Grundrisses, erhöht. Es gibt 3 solche Bälge.

    Wie erwähnt handelt es sich bei dem Projekt um ein Experiment, und das Nichtansprechen einzelner Pfeifen wird wohl nicht zu vermeiden sein. Es wäre nur schön zu wissen ob ich mit meiner Planung vollkommen daneben liege.



    2 Entfernung von der Windlade zu den Pfeifen

    Ich frage mich wie weit die Pfeifen von der Windlade entfernt sein können? Ist der Druck am Ende eines 10 Meter langen Schlauches geringer als am Ende eines 1 Meter langen? Entstehen Latenzen?

    Mein physikalisches Grundverständnis reicht irgendwie nicht aus...



    3 Ich bin natürlich über jeden weiteren Tip, der zum Erfolg meines waghalsigen Unterfangens beiträgt dankbar.



    Ich hoffe mit meinen Anliegen hier nicht fehl am Platze zu sein. Dem geballten Orgelwissen dieses Forums konnte ich einfach nicht widerstehen.



    Mit besten Grüßen

    Florian

  • Hallo,



    also ich berechne den Windbedarf wie von Bormann in seinem Buch "Heimorgelbau" beschrieben, und bislang hat mich das Buch noch nicht enttaeuscht:

    13,3 cm^3/s je mm Labiumbreite bei einem Kernspalt von 0,5mm

    11,5 cm^3/s je mm Labiumbreite bei einem Kernspalt von 0,4mm

    8,0 cm^3/s je mm Labiumbreite bei einem Kernspalt von 0,3mm

    Der Ausgleichsbalg sollte laut Bormann ca. 2-3 Sekunden ueberbruecken koennen.



    Ohne genauere Pfeifenmensuren kann man leider relativ wenig darueber aussagen, ob der Balg reichen wird und auch der angestrebte Winddruck spielt eine Rolle.

    Die Mensuren muessen vermutlich relativ extrem werden, wenn die Orgel im Freien stehen soll.

    Und da gleich eine Frage: Soll die Orgel dort langfristig stehen? Es gibt einige wenige Freiluft-Orgeln, aber "normale" Materialien wie Holz, Zinn und Blei fuer die Pfeifen moegen nicht unbedingt Feuchtigkeit. Wenn das Kinder bauen wuerde ich aufgrund der Giftigkeit von Zinn/Blei-Legierungen uebrigens abraten und Holzpfeifen vorziehen (aber aufgrund der Skizze gehe ich davon aus, dass es Holzpfeifen werden sollen).



    Noch zwei Anmerkungen:

    - Ich habe zu Grundschulzeiten einige Holzpfeifen gebaut und damals war mein Problem vor allem, dass der Kernspalt immer zu gross wurde. Die Pfeifen funktionieren dann zwar trotzdem, aber der Windbedarf steigt extrem. Das sollte eventuell beruecksichtigt werden.

    - 50 bis 60 Pfeifen hoeren sich fuer ein Feriencamp-Projekt als viel zu extrem fuer mich an, das entspricht ja schon einem einregistrigen Positiv. Das Projekt selbst finde ich hochinteressant, aber eine Orgel zu bauen erfordert viel Zeit, deswegen wuerde ich das ganze kleiner dimensionieren. Und auch wenn die Mechanik relativ einfach wird, sind 18 wirklich funktionierende Ventile nicht in ein paar Stunden hergestellt.



    Viele Gruesse,

    Peter


  • Hallo Peter



    herzlichen Dank für die hilfreichen Einschätzungen und Tips. Das Borman Buch habe ich mir direkt bestellt, zumal es ja immer wieder im Forum vorkommt.

    Die Orgel wird nicht dauerhaft im Wald stehen. Dennoch plane ich sie so wetterbeständig wie möglich.

    Grundsätzlich teile ich die Bedenken bezüglich der Bauzeit. Das Camp ist allerdings auf große Bauprojekte spezialisiert. Es wird sehr genau geplannt und, von zahlreichen Handwerkern unterstützt, mit den Kindern umgesetzt (http://beamcamp.org/home). Dennoch ist es natürlich schwer zu beurteilen wie lange man letztlich braucht - besonders für das Bauen der Pfeifen. Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass man eventuel 3 aufeinanderfolgende Pfeifen mit den selben Massen bauen kann und nur in der Länge variiert. Ist das möglich?

    Wie auch immer. Ich denke wir werden die Pfeifenanzahl notfalls während des Bauens anpassen müssen.



    Schöne grüße

    Florian


  • Bzgl. der gleichen Mensuren bei 3 aufeinanderfolgenden Pfeifen: Das ist natuerlich moeglich, auch bei noch mehr Pfeifen. Das Klangbild ist dann nur irgendwann nicht mehr einheitlich, aber ich vermute, dass das bei dem Projekt eine untergeordnete Rolle spielt.

    Am besten einfach mal ein paar Prototypen herstellen, am besten mit den im Camp zur Verfuegung stehenden Werkzeugen. Ich habe aus Erfahrung gelernt, dass die Werkzeuge einen enormen Einfluss auf die Arbeitsgeschwindigkeit haben. Nach vielen Jahren arbeite ich jetzt wieder an einem Hausorgelprojekt; diesmal ohne nennenswerte Abstriche beim Werkzeug machen zu muessen und das macht sich auf jeden Fall bezahlt.

  • Hallo,



    wenn ich den Verlauf hier so studiere, dann denke ich, in manchen Dingen bist Du etwas "frei"... Daher könnten in diesem Fall Faustregeln ganz hilfreich sein. Ein erfahrener älterer Orgelbauer gab mir seinen Erfahrungswert für die Balggröße weiter: 10 - 12 dm2 pro Register. Damit sind wir zwar schon im oberen Bereich angekommen. Ich bin allerdings damit immer gut gefahren und selbst pneumatische Orgeln haben immer gut, das heißt ohne Windstößigkeit funktioniert. Einen schönen Satz ist auch bei Bormann zu lesen: "Einen Balg so groß wie möglich, in ein Gehäuse so klein wie möglich". Hilft Dir das erst mal weiter?

    Viel Erfolg bei Deinem interessanten Projekt!



    Günther



    Günther

  • Trompeter:
    Hallo,



    wenn ich den Verlauf hier so studiere, dann denke ich, in manchen Dingen bist Du etwas "frei"... Daher könnten in diesem Fall Faustregeln ganz hilfreich sein. Ein erfahrener älterer Orgelbauer gab mir seinen Erfahrungswert für die Balggröße weiter: 10 - 12 dm2 pro Register. Damit sind wir zwar schon im oberen Bereich angekommen. Ich bin allerdings damit immer gut gefahren und selbst pneumatische Orgeln haben immer gut, das heißt ohne Windstößigkeit funktioniert. Einen schönen Satz ist auch bei Bormann zu lesen: "Einen Balg so groß wie möglich, in ein Gehäuse so klein wie möglich". Hilft Dir das erst mal weiter?

    Viel Erfolg bei Deinem interessanten Projekt!



    Günther

  • Hallo



    vielen Dank für all eure Informationen. Die Faustregeln für die Balggrösse sind auch sehr hilfreich. Das klingt vielversprechend. Wir werden jetzt einige Prototypen (Bälge, Reservoir, Pfeifen) bauen um ein besseres Gefühl für Alles zu bekommen. Making is knowing....



    Schöne Grüsse Florian

  • Liebes Forum



    nun ist einige Zeit vergangen und ich möchte den aktuellen Planungsstand zusammen mit einer Frage in die Runde werfen.

    Aktuelle Bilder und ein pdf gibt es hier:

    http://www.floriangwinner.de/pipetree



    Meine Frage:

    Die Orgel soll durch 4 etwa 60cm x100 cm große Faltenbälge betrieben werden. Diese führen in einen achteckigen Ausgleichsbalg. Von dort gehen 4 Kanäle in 4 verschiedenen Windladen. Von diesen werden 6 Pfeifenschuhe angessteuert, in denen 2-3 Pfeifen stecken. Ich frage mich nun in wiefern es problematisch werden könnte die Bälge zu betätigen, wenn ja gleichzeitig der Ausgleichsbalg Druck ausübt und die Luft wieder zurück in die Bälge pressen möchte. Wer ist eigentlich stärker?



    Gerne nehme ich auch jede Anmerkung zum gesammten Projekt entgegen, denn wirklich trauen tue ich meiner Planung immer noch nicht... So oder so - ab August wird in den Wäldern New Hampshires gebaut.



    Alles Beste

    Florian