Ungewöhnlich: Durchschlagende Zunge 16-Fuss

  • Hallo liebe Haus-Orgler ;-),



    Ich habe die Idee im Pedal meiner Hausorgel eine 16-Fuss durchschlagende Zunge zu disponieren, da diese ja wesentlich grundtöniger sind als die aufschlagende Variante. Ich stelle mir ein Register vor, das mit zwei verschiedenen Winddrücken gespielt, einmal als Begleit-Bass (à la Subbaß) und einmal im vollen Werk als Klangteppich fungiert.



    Hat jemand von Euch Informationen zur Mensurierung, Zungenstärke etc? Ich habe daheim ein Harmonium (leider derzeit nicht spielbereit da zerlegt), da kann ich mich noch recht gut an das 16'-Spiel erinnern. Ich kann mir gut vorstellen so etwas auch in einer Orgel zu haben. Eventuell lassen sich ja auch ganze Pfeifen mit Becher, z.B. in halber Länge, fertigen oder alternativ ein Zungenrahmen auf einem Resonanzkasten.



    Bin für jeden Vorschlag dankbar, ich werde ausserdem mal etwas Experimentieren um zu sehen ob sich das lohnt.



    Gruß



    Jens

  • Wenn kein allzu hoher Winddruck erforderlich ist, kann man bestimmt auch Zungen von einem alten Harmonium verwenden. Ich habe schon Versuche damit angestellt.



    Die Resonator-Länge scheint nur einen geringen Einfluss zu haben. Einzelpfeifen aus vorhandenen Zungen zu fertigen scheint mir etwas mühsam zu sein. Ich habe einen "Block" aus einem Harmonium, der Zungenabstand ist in Tastenteilung, es wäre dann nur noch eine kurze Verbindung ohne wesentliche Verführung vom Pfeifenstock zum Zungenblock zu fertigen.



    Aber ich habe festgestellt, dass die Ansprache insbesondere der unteren paar Töne(ohne Resonanzkasten) und die Lautstärke schlechter als beim ursprünglichen Harmonium ist. Allerdings habe ich nur einen Winddruck von 38 mmWS. Den Druck des Harmoniums kann ich leider nicht mehr feststellen, aber ich denke schon um die 60 mmWS.



    Ich hatte vor, nur für die Basshälfte meines Positivs einen solchen 16' einzubauen. Die 16'-Harmoniumzunge ist temperiert gestimmt, mein Positiv eher in Richtung mitteltönig, daher der 16' nur im Bass, wo die Stimmungsunterschiede bei 1-stimmigem Spiel vielleicht nicht so sehr auffallen. Aber das wird - wenn überhaupt - wohl noch einige Zeit dauern.

  • Hallo,



    der Winddruck wird im Bereich 45-50 mm WS liegen. Mein Harmonium komplett zu zerlegen traue ich mich nicht wirklich, mich würden daher die Zungenstärken und das Material allgemein interessieren. Kann man die Stimmplatten auch aus Holz (evtl. dünn gehobelt) fertigen? Das fertige Register würde ich am liebsten direkt hinter den Pedalabzügen, in einem extra Resonanzkasten, unterbringen. Etwas breitere Zungen wären da auch möglich. Weiss jemand Bescheid über Mensurlisten etc?



    Gruß



    Jens

  • Wegen der erforderlichen Genauigkeit der Öffnung für eine durchschlagende Zunge kommt für die Stimmplatten wohl nur Metall in Frage. Eine Eigenanfertigung von durchschlagenden Zungen ist für einen "Bastler" wohl kaum möglich (enormer zeitlicher Experimentieraufwand, was Größe und Stärke betrifft). Die Feinstimmung erfolgt durch Auftrag von Blei bzw. Abfeilen/Ausdünnen des Materials. Ein aufschlagendes Zungenregister ist von der Genauigkeit der Zunge und der Stimmbarkeit wesentlich einfacher zu fertigen: federndes Messingblech, evtl. auf Stärke gewalzt bzw. gehämmert. Auch sprechen aufschlagende Zungen bei nicht zu dicken Material/nicht zu großer Breite schon bei geringem Winddruck an (40 mmWS). In dem Buch "Heimorgelbau" von Karl Bormann ist ab Seite 124 die Fertigung von Zungenstimmen mit Maßen für Zungenlänge/-Breite/-Dicke ziemlich genau beschrieben. Lies doch mal dieses Kapitel. Wenn du dann noch Lust hast . . .

    Ich habe vor ein paar Jahren mal ein paar Probepfeifen (frei Schnauze mit Zungen aus Dosenblech) gefertigt. Sie funktionierten.

    Das faszinierende an einem 16'-Zungenregister fürs Pedal ist: der geringe Material- und Platz-Aufwand, aber irgendwie klingt der Bass nicht romantisch-tief, die "Fülle" fehlt.

  • Hallo!



    Also ich finde die Idee garnicht so schlecht. Richtig scheint zu sein, dass die Hausorgeln mit einem Sordun 16' oder Harfenregal 16', also einer Kurzbecher-Zunge als einzigem 16'-Register, nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Nicht nur das - man ließt oft, dass der Klang "das Ohr ermüdet", einfacher gesagt - schnell nervt.



    Francois ist ja schon berühmt für seine unumstößliche Fantasie, einen labialen 16' oder einen akustischen (8'+6') 16' zu realisieren. Labialregister sind sicherlich das schönste für eine Hausorgel, brauchen aber Platz. Mag das bei dem ein oder anderen u.U. gerade noch gehen mit "Zweiton"-Pfeifen (geht auch bei Gedackten), bei vielen Hausorgelbauern mit einem "handelsüblichen" Platzreservoir (wie mir auch) wird es schlicht nicht gehen.



    Durchschlagende Zungen 16' aus einem Harmonium ins Pedal zu setzen, wird zwar nie einen lauten festen 16' Klang geben, und schnelle Passagen werden schlicht nicht ansprechen, aber nichstdestotrotz denke ich, einen "Subbaß" als durchschlagende Zunge, vielleicht ganz ohne oder nur mit kleinem Resonator, ist eine billige, platzsparende Wahl, ein "wenig" leisen 16'-Klang in die Wohnung zu holen. Es muß freilich immer von einem 8' Gedackt zugedeckt werden. Ich stelle mir das reizvoll vor.



    Ich habe C-H 16' aus einem Sperrmüll-Harmonium letztens geschenkt bekommen, und spiele für später auch mit diesem Gedanken. Ich habe eine 16' (aufschl., beledert) Zunge mit halblangen engen Holz-Bechern als einzigen 16' im Pedal (Fagott), und kann mir vorstellen, dass sich dieses Register nur selten hören lassen wird, weil es doch auch in der leisesten Intonation recht kräftig ist.



    Ich würde mich freuen, mehr darüber zu hören. Ich erinnere mich an eine "die hausorgel", wo so ein Positiv (mit durchschl. 16') überarbeitet und an eine Kirchengemeinde verschenkt wurde. Hat jemand das Instrument mal gehört? Allein vom Eindruck eines Harmoniumklanges und wenn jemand romantische Orgelmusik mag, würde ich sagen, es ist eine (piano-)Bereicherung.



    Gruß,

    Ulf

  • Hallo Ulf,



    kannst Du mir die Zungenmaße für das 16' C geben (Stärke, Länge mal Breite)? Dann kann ich etwas experimentieren. Das Stimmen kann man auch mit speziellen Stimmkrücken erledigen, die mit einem schmalen Blechstreifen auch unter die Zunge gehen und diese so fixieren. Habe ich bei Walcker-Klarinettenregistern so gesehen. Die Sache mit Blei auftropfen und abfeilen scheint mir auch zu riskant. Das 16'-Register muss vor allem leise spielbar sein, Ansprechgeschwindigkeit ist zweitrangig [für 16' wohl kaum richtig 'schnell' zu bekommen], dafür habe ich ja die Pedalkoppel mit den normalen Orgelregistern. Ich kann dann noch Gedackt8', Salicional 8' und wenn ich es 'posaunig' haben will noch das Regal 8' ins Pedal koppeln



    Gruß



    Jens

  • Hallo Ulf,



    zu Deiner Frage: Ich würde mich freuen, mehr darüber zu hören. Ich erinnere mich an eine "die hausorgel", wo so ein Positiv (mit durchschl. 16') überarbeitet und an eine Kirchengemeinde verschenkt wurde. Hat jemand das Instrument mal gehört?



    Die Orgel habe ich bei der Wieder-Einweihung im Raum gehoert. Der Zungenklang von der durchschlagenden Zunge hat sich deutlich von dem der Labial-Register unterschieden. Das Instrument hat nur wenig Register und dadurch war der 16'-Klang fuer mich nicht stimmig, eher stoerend, da zu "brummig".



    Aber wie auch immer, zumindest Platz sparend ist so ein Register. Ich hatte mal Kehlen mit aufgeloeteten Zungen aus einer Waldkircher Werkstatt (1997 von Carl Frei) in den Haenden. Die Kehlen entstammten einer Freiluftorgel, eventuell Drehorgel oder wahrscheinlicher aus einem Orchestrion. Die grossen Toene brauchten ordentlich Druck und Windmenge. Hier zumindest spart die durchschlagende Zunge nicht viel ein.



    Gruss Thomas Reinhardt

  • "...war der 16'-Klang fuer mich nicht stimmig, eher stoerend, da zu "brummig. Aber wie auch immer, zumindest Platz sparend ist so ein Register." (Thomas_Reinhardt)



    Bislang hatte ich zweimal die Gelegenheit, Eigenbau-Zungenregister in Hausorgeln zu hören, genau genommen in kleinen Positiven, als 8'-Register, weil für 8'-Labialpfeifen kein Platz war.



    Nun ja, "de gustibus non est disputandum" und so möchte ich mich keinenfalls kritisch äußern, indes kommt mir bei dieser Diskussion in den Sinn, ob aus Platzmangelgründen vielleicht doch das Sakrileg der "Kombinationsorgel" in Erwägung gezogen werden könnte,

    so wie es vor zwei Jahren bereits einmal
    vorgeschlagen wurde...


  • Hallo Thomas, Hallo alle anderen,



    Danke für die Klangbeschreibung. Die Eigenschaft, eher weniger Register zu haben, wird wohl für alle Hausorgeln zutreffen, bei denen man eine durchschlagenden 16'-Zunge inbauen wird. Dementsprechend ist Thomas' Beschreibung also eine Warnung. Sind 16' aufschlagende Zungen zu obertönig und nerven auf die Dauer, sind durchschlagende Zungen also "herausstechend" und zu brummend.



    Was die Maße der Zungen für Jens Ganter angeht, so habe ich das nicht vergessen, leider zur Zeit nur zu wenig Zeit. Ich werde mal versuchen, es am Wochenende zu schaffen.



    beste Grüße



    Ulf

  • Hallo zusammen,



    habe doch mal mein Harmonium, was ich vor einiger Zeit von meiner Heimatkirchengemeinde mitgenommen habe, da es sonst verschrottet worden wäre, auseinandergenommen. Habe festgestellt, dass es ohnehin sehr verdreckt und reparaturbedürftig ist, ich hätte es so nicht weiterverwenden können.



    Ich habe die 4 1/2 Spiele ausgebaut und mit dem (sehr gut erhaltenen) 16' einige Versuche angestellt. In der Tat kann der "brummelig" klingen, jedoch kommt es sehr auf die Kanzellenform an, die ja beim Harmonium den Klang bildet. Ohne Kanzelle hört man fast gar nichts, nur klappernde Luftgeräusche. Die Töne sprechen recht gut an, für das Pedal ausreichend. Wenn man bei noch eine art "Percussion" anbringt, d.h. eine Vorrichtung, welche die Zunge leicht anschubbst wenn das Ventil sich öffnet, ist überhaupt keine Verzögerung zu hören. Ich habe schon eine Idee, wie das mechanisch sehr einfach realisierbar ist.



    Alles in allem würde ich sagen, dass das für eine Orgel geeignet ist. Ich werde wohl irgendwann in Zukunft mal eine Windlade für die paar Zungen bauen, mit Forteklappen um den Ton zu verändern und das in meine Orgel einbauen, sobald die Manualwindlade fertig ist. Danach kann ich mehr berichten.