Aufschnitt erniedrigen bei Holzpfeifen

  • Habe ein vielleicht interessantes Diskussionsthema.

    Zur Zeit restauriere ich 280 Jahre alte Holzpfeifen aus der Werkstatt Stumm in Rhaunen-Sulzbach.

    Da diese Pfeifen natürlich nicht ganz den Modeströmungen der Zeit entgangen sind, haben sie etliche Blessuren.

    Der aufgetragene Bolus und der Wurm sind entfernbar.

    Auch das Dichten mit Hautleim war wie erwartet kein Problem.

    Und wo wir gerade beim Thema sind, klanglich macht Hautleim gegenüber Ponal keinen Unterschied. Das Einzige, was er bringt, ist die Reversibilität im Falle einer erneuten Restauration.

    Der Werkstoff Holz ist für den Klang viel entscheidender!

    Nun aber zu meinem Problem:

    Die Aufschnitt sind oftmals zu hoch.

    Ihr ursprüngliches Maß ließ sich anhand meiner Mensurtabelle und den gut sichtbaren Rändern an der Labienseiten ohne Mühe rekonstruieren.

    Bei den großen Pfeifen war ein Anpassen eines Stückchen Holz kein Problem, wenn auch sehr zeitaufwendig.

    Bei den kleineren Pfeifen wird dies nun sehr kritisch, da es sich oft um Millimeter handelt.

    Zu früheren Zeiten verwendete Oberlinger eine Art Bakelit, das er als Streifen auf das Oberlabium klebte. Es war schleifbar.

    Weiß jemand, was man sonst noch verwenden könnte, denn schließlich ist Kunststoff nicht gerade "denkmalsgerecht"!

    Gibt es einen Trick der "Alten"?

    Mit bestem Gruß aus meiner Museums-Werkstatt,

    Andreas Keber

  • Lieber Herr Keber,



    bei den meisten Verfahren, die ich kenne, geht unweigerlich originale Substanz verloren, mal mehr, mal weniger. Das wären z.B.

    - Absetzen des geamten Labiums aus dem Deckel und Einfügen eines neuen Abschnitts mit neuem Labium,

    - Aufleimen eines Brettchens od. dgl. auf das vorhandene Labium,

    - vorsichtiges Ausfräsen der Labiumkante von hinten, Einleimen eines Holzklötzchens und Nachstechen auf die gewünschte Aufschnitthöhe.

    Letztere Methode wäre mir die liebste, sie ist am wenigsten sichtbar; aber eben doch ein irreversibler Eingriff in die Substanz.



    Eine Methode, bei der nichts vom alten Material weg kommt, hat Martin Kares auf der GdO-Arbeitstagung 1986 in Hatzfeld aus der Praxis des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg beschrieben. Es kommt dabei ein Einkomponentenharz zum Einsatz, der Aufwand ist beträchtlich.

    Nachzulesen in ACTA ORGANOLOGICA Band 22, S. 217 ff.



    Ob es inzwischen eine vergleichbares Verfahren ohne Chemie und Kunststoff gibt, würde auch mich interessieren.



    Viele Grüße

    Michael Stumpf

  • Vielen Dank, Herr Stumpf, für die liebe Nachricht.

    Bin zur Zeit dabei, kleinste Brettstreifen auszuschneiden,

    passend zu schleifen und aufzuleimen.

    Mit viel Geduld klappt das ganz gut.

    Das einzige Problem ist, daß man dann auf der Rückseite des Oberlabiums,dort wo das neue Stück Holz überlappt, einen kleinen Absatz hat. Hat dieser Auswirkung auf den Klang?

    Zur Zeit kann ich keinen bemerkenswerten Unterschied zwischen fertig intonierten Pfeifen mit noch originalem Aufschnitt und denen mit angepaßtem Aufschnitt hören.

    Eine andere Frage:

    Normalerweise wird das Leder der Spunde mit der rauhen, also der Fleischseite, nach außen geklebt.

    Einige Bücher und auch mancher Orgelbauer behaupten, daß die glatte Seite nach außen, also die Haarseite, besser wäre.

    Sollte man bei meinen historischen Pfeifen zusätzlich Filz unter das Leder am Spundrand kleben, um ein Arbeiten des Spundholzes auszugleichen und ein Festklemmen zu vermeiden?

    Für einige Tipps wäre ich dankbar.

    Bis dann,

    Andreas Keber

  • Hallo,



    zum Leder am Spund bei Gedecktpfeifen habe folgende Erfahrung gemacht: die Fleischseite aussen am Holz dichtet besser, hat aber den Nachteil des schwergängigeren Verschiebens des Spundes. Ich habe glattgehobelte Bretter beim Pfeifenbau verwendet und die glatte Lederseite gleitet darauf. Das geht gut.

    Viele Grüße

    und Erfolg beim Bauen wünscht

    Thomas Reinhardt

  • Hallo Herr Keber,

    der Absatz hinter dem Labium kann Auswirkungen auf den Klang haben, muß aber nicht. Probieren und hören Sie einfach selbst.



    Das Spundleder mit der glatten Seite nach außen hat zuerst den Vorteil, daß Sie zum Anleimen das Leder nicht extra aufrauhen müssen. Der Spund sollte aber exakt passen und nicht zu flach sein. Die glatte Seite klebt erfahrungsgemäß leichter an. Die Fleischseite des Leders steckt dagegen mehr Ungenauigkeiten weg.

    Außer beim Stimmen sollte der Spund überhaupt nicht gut "gleiten".

    Ein weiterer Vorteil, wenn man die rauhe Seite nach außen nimmt: Spätere Undichtigkeiten lassen sich meist durch Aufrauhen (Bürsten) des Velours leicht beseitigen.

    Ob das Leder so oder so herum: Immer viel Talcum!



    Bei 280 Jahre alten Pfeifen sollte alles unternommen werden, Spundholz zu erhalten; d.h. nicht zugunsten von Filz daran herumsägen. Filz würde ich da nur im Notfall - und dann reversibel - einsetzen und lieber zum Unterfüttern weiches Leder nehmen. Bei größeren neuen Pfeifen bin ich dagegen z. Zt. ein großer Freund von befilzten Spunden.

    Frohes Schaffen!

    M. Stumpf