Klanglicher Stilwandel

  • Gilt auch im Positiv-/Hausorgel-Selbstbau eine Abwendung vom Neo-Barock ?

    Die Beispiele bei BORMANN (1972) waren ja noch barock/neobarock ("Streicher und Schwebestimmen haben in der Hausorgel nichts zu suchen").

    Aber das ist ja inzwischen auch schon 40 Jahre her. Und derzeit ist "Romantik" wieder in.



    Ich habe in meinem Positiv (vor 30 Jahren) neben Gedackt 8' ein Diskant-Salcional (Holz) 8' gebaut, das wahlweise mittels eines Zusatz-Registerzuges mit weniger Wind versorgt werden kann, dadurch leicht tiefer schwebend klingt. (Also Streicher und Schwebung durch eine billig-Lösung zugleich). Dabei klingt dieser Salcional (wegen der Weichholz-Pfeifen mit nicht zu niedrigem Aufschnitt) eher streichend-flötig. Verbindet sich gut mit einem konischen Nasat 2 2/3'.

    Daneben habe ich in der 4'-Lage neben einer gedackten Flöte (ursprünglich Rohrflöte) auch noch eine "Viola 4' " (nur im Diskant, aus früheren Pfeifenbauten),

    also n o c h einen Streicher, im Klang in Richtung "Echo-Geigen-Prinzipal". Zusammen mit (engem) Prinzipal 2' also ein flötiges Streicher-Plenum.

    Ursprünglich hatte ich statt "Viola 4' " ein durch Eigen-Versuche ermitteltes Register "Maienflöte 4' " (nur Diskant), sehr schmal labiiert (bei c1: 9 x 40 mm), das einzeln sehr schön (leise-flötig-sehr hell) klang, aber mit anderen Registern zusammen zu leise war.



    Ab C ausgebaute Streicher 8' und 4' sind bei einem Positiv/einer Hausorgel sicher zu platzbeanspruchend. Aber ab c1 oder a0 ?

    Oder wird dadurch ein Literaturspiel zu sehr eingeschränkt ?

  • „Ab C ausgebaute Streicher 8' und 4' sind bei einem Positiv/einer Hausorgel sicher zu platzbeanspruchend. Aber ab c1 oder a0 ?

    Oder wird dadurch ein Literaturspiel zu sehr eingeschränkt ?“



    Hallo,

    ich würde behaupten das hängt ganz von der Funktion ab die der Streicher in der Orgel erfüllen soll. Soll er alleine solistisch verwendbar sein oder nur bei Solomischungen (im Diskant) verwendet werden so genügt es meines Erachtens wenn er erst ab f0 bis c1 beginnt (ohne Pfeifen im Bass). In diesem Fall ist es auch wenig relevant wie stark streichend er intoniert ist.

    Soll er bei mehrstimmigem Spiel verwendbar sein so sollte das Register neben dem Diskant auch eine Bassfortsetzung besitzen. Dabei ist die Frage wie stark streichend und wie die tonstark das Register geplant ist. Ist es sehr streichend und tonstark vorgesehen z.B. Gamba, Viola) dann ist es sicher sinnvoll dem Register eine individuelle eigene Bassoktave zu geben. Bei mäßig stark streichenden und tonstarken Registern (z.B. Salicional) kann der Bereich von C bis H der gar e0 auch aus einem bereits vorhandenen Register (z.B. Gedeckt oder Quintatön) verwendet werden. Hier lässt sich sicher auch zwischen Gedeckt/Quintatön und Salicional ein Übergangsbereich formen sodass Tonstärke- und Klangfarbenbrüche minimiert werden.

    Extrem leise Register (Aeoline, Dolce) machen meines Erachtens auch eine eigene Bassoktave erforderlich (möglicherweise z.B. auch ein sehr zartes Quintatön), wenn zwischen einem „normalen“ Gedeckt und dem gewünschten Pianostreicher ein zu großer Tonstärkeunterschied auftritt.



    Mit freundlichen Grüßen



    Daniel


  • Lieber Reinhold, Lieber Daniel,



    Ja, der Wandel zur „Romantik“ ist auch im Hausorgelbau zu beobachten.



    Ich selbst machte diesen Wandel auch mit: Vor 25 Jahren begann ich ein Positiv mit geplantem G8, Fl4, Pr2, Okt1 zu bauen. „Dank“ einer misslungenen Windlade konnte ich aktuell die Disposition meinen zwischenzeitlich gewandelten Klangvorstellungen anpassen: G8, Pr8, Fl4, Q3, Okt2.



    Wie ihr festgestellt habt, kann der Pr8 aus räumlichen Gründen nicht bis zum C ausgeführt werden. Ich habe mich darum dafür entschieden, den Pr8 im Bass durch Pfeifen des vorhandenen G8 fortzusetzen. Aber egal, bis wohin ich den Pr8 führte, stets empfand ich den Übergang zum G8 als „Bruch“, als Verlust von Fülle und Obertönigkeit. Durch eine Truhenorgel von OBM Peter Meier inspiriert, beschloss ich, den Pr8 bis e0 zu führen, den Bass aber aus den vorhandenen G8 und Fl4 zu entnehmen. Der Übergang ist nun beinahe nicht zu bemerken und ich kann den Pr8 trotz der „fehlenden“ tiefsten 16 Tönen als „vollständiges“ Register (auch mit angehängtem Pedal) behandeln.



    Ich kann die Substitution eines Pr8 durch G8 und Fl4 nur empfehlen. Gegebenenfalls kann der Übergang auch bei fis0/g0 geschehen.



    Herzlich grüsst euch,



    GeOrgel

  • Wenn man die Geschichte der Haus/Residence Orgel mal betrachtet, so ist sie ein Kind der Hochromantik.

    Wer mal in den Prospekten der amerikanischen und europäischen Orgelbauer geblättert hat, findet Instrumente in Hülle und Fülle, in romantischer und orchestraler Registierung.

    Walcker, Weigle und Welte um nur einige zu nennen, haben zb. viele Hausorgeln bis Mitte der 30iger Jahre gebaut mit 8 Fusslage(teilweise mit 16'lage Pedal/Manual und mit Schwellwerk.

    die Orgeln aus der Zeit klingen besser als es die Orgelreform in den 50igern und 60igern dargestellt hat.

    Leider haben wenige dieser Instrumente überlebt.

    Habe meine Orgel auch umgebaut und und die hohen Aliqoten und Mixturen wieder entfernt, was den Klang angenehmer und weicher macht.

    Natürlich ist es jedem überlassen, da auch jeder einen anderen Musikgeschmack hat.

    Habe mein Instrument komplett im Schwellwerk stehen und die 8' und 4' Lage sind in der Überzahl und durch Transmissionsregister 8' und 4'ergänzt.

    aber ich muß zugeben, das man schnell an die Grenzen des machbaren kommt.

    nicht jeder hat genug Platz um sich sein Traum-Instrument zu bauen.

    So sind im ersten Man. 2 8' und im 2. Manual 3 8' eingebaut.

    ausserdem 2komplett ausgebaute Transmissionsregister(Prinzipal 8+4' 68 Töne und eine Viola 8+4' beide in voller Länge, die Viola allerdings gekröpft C - f

    Die beiden Manual Zungen Trompete 8' und Drehdeckeloboe 8'sind in voller länge aber C - f in Schneckenform gewendelt.

    zur Zeit wird im Spieltisch eine automatische Rollenspieleinrichtung eingebaut, die es später ermöglicht die Rollenformate 58/65/88/116 und 172 der Firma Aeolian abzuspielen.

    Ausserdem wird optional noch eine elektrische Schnittstelle für die 73iger Rollen der Firma Hupfeld eingeplant.

    Dafür mußte der Spieltisch nochmal neu umgebaut werden und wird zur Zeit verdrahtet.

  • "So sind im ersten Man. 2 8' und im 2. Manual 3 8' eingebaut."



    Das ist in der Tat wortwörtlich beachtlich, und es dauert mich sehr, den Platz für eine große Orgel zu haben in Form eines noch nicht ausgebauten Dachbodens, indes keine Zeit finde, diesen Raum herzurichten, um dort irgend wann einmal meinen Lebenstraum in Erfüllung zu bringen...



    Aber einige wenige Sopranregister möchte ich dann doch haben, wenigstens ein 2-Fuß-Pfeifchen und eine 2-fach Zymbel; ich glaube, Altmeister Bormann hatte die häufig anzutreffenden Platzverhältnisse vor Augen, wenn er davon schreibt, Grundstimmen seien in Hausorgeln nur einfach zu besetzen, Gedackt 8-Fuß, und wenn man die Beschreibungen von Hausorgeln liest, sieht man das bestätigt. Immerhin billigt Bormann "dem Freund romantischer Musik" durchaus andere, tieferliegende Dispositionen zu, gar ein zusätzliches, schwebend gestimmtes Register.



    Mein größter Respekt gilt allen, die große Instrumente gebaut haben; der vorhandene Platz ist ja nur eine Grundvoraussetzung, alles muß groß gebaut werden, Windversorgung, Ventile, Kanzellen...


  • "zur Zeit wird im Spieltisch eine automatische Rollenspieleinrichtung eingebaut, die es später ermöglicht die Rollenformate 58/65/88/116 und 172 der Firma Aeolian abzuspielen.

    Ausserdem wird optional noch eine elektrische Schnittstelle für die 73iger Rollen der Firma Hupfeld eingeplant"



    Hallo Herr Kabbeck,



    das klingt ja sehr interessant. Können Sie dieses Projekt näher erläutern? (ev. mit Photos.) Die selbstspielautomatiken von Aeolian sind - zumindest was meinen (sehr oberflächlichen) Wissensstand anbelangt - bezüglich Rollenantrieb und Abtastung pneumatisch angelegt. Haben Sie das auch pneumatisch realisiert oder wird das elektrisch erfolgen? Wenn ich mich nicht täusche hat z.B. die Firma Welte bei ihren Philharmonieorgeln neben den Tonspuren für die Manual(e) auch Steuerspuren für Register und Schweller etc. Was hat die Firma Aeolian bei den unterschiedlichen Rollen für Funktionen aufgenommen? Wofür sind die Rollen verwendet worden (Orgel, Harmonium, Klavier,..)?



    Mit freundlichen Grüßen



    Daniel_T

  • Hallo Daniel,



    entschuldige bitte das ich erst jetzt antworte, war längere Zeit nicht hier im Forum.

    Zum Thema Rollensteuerung der Orgel:

    Die Firma Aeolian hat ihre größeren Residence Orgeln

    mit el/pneum. Spieleinrichtungen ausgerüstet(ab 1915).

    Vom Notengleitbock führen die Schläuche zu einer Transmitterleiste mit einem pneum. Schalter/pro Note.(insgesamt 176 Tonlöcher im Gleitblock)

    Unterhalb der Ledermembrane befindet sich ein el. Kontakt. Von da an wird das Signal nur noch el. über Relaisstationen bis hin zu dem Trakturmagneten unterhalb der multiplex Kastenlade geführt.

    Der Notengleitblock(zweireihig versetzt) läßt offiziell das Abtasten von allen gängigen Aeolian Lochabständen zu, wobei nur das Duo Art System von 176 Löchern vollautomatisch funktionert, vom einschalten über alle Töne, Registerkombinationen, Schwellwerkfunktionen, Geschwindigkeit bis zum Rückspulen.

    allerdings sind die Verschaltungen sehr kompliziert..

    Die normalen 58iger, 65iger sowie die 88iger Notenrollen lassen nur ein halbautomatisches Spielen zu.

    Registrieren muß man selber.

    Für das Full-Autmatic System fehlem mir leider die Unterlagen der komplizierten Und/Schaltg. und Oder Schaltungen.

    In diesen Schaltungen sind alle Funktionen enthalten.

    Sogar das Tempo wird vollautomatisch gesteuert.

    Allerdings bin ich noch nicht so weit.

    Fertig ist eine Tranmitterleiste für 88 Töne.

    zur Zeit bin ich dabei den Notengleitblock mit neuen Schläuchen zu versehen und mit de rTransmitterleiste zu verbinden.

    Dazu mußte ich im Spieltisch die komplette mechanische Traktur entfernen, um so Platz zu schaffen, um die komplette Relaisstation mit über 200 Relais zu installieren.

    Im übrigen war das System der Firma Walcker für Ihre Organola(allerdings pneumatisch) kompatibel zum Aeolian System.

    Nur die Walcker Orgeln konnten nur die alten 58iger Rollen abspielen.

    Einer der ganz seltenen Rollen von Walcker , ist die Rolle Nr. 95"aus der Matthäus Passion von J. s. Bach die Walcker damals in Auftrag gegeben hat.

    Anmerkung:

    Hatte vor ca. 8 Jahren Kontakt zum Technischen Museum in Wien.

    Da steht eine größere Walcker Orgel im Vortragssaal mit einer automatischen Spieleinrichtung.

    Man wollte die Rollen einspielen für eine Demo CD, das ist aber daran gescheitert, das die Spieleinrichtung in einem schlechten Zustand war.

    Die Orgel hat eine im Extraschwellwerk eingebaute Physharmonika.



    Gruß



    Harald