Lebensdauer / Haltbarkeit von Positiven

  • Wenn man - wie in meinem Fall - von einem selbstgebauten Positiv ausgeht:



    zu 95% aus Holz gebaut (Gehäuse, Laden, Tasten, Pfeifen - größtenteils Massivholz, z.T. Sperrholz) alles mit Kaltleim verleimt und holzverdübelt,

    lediglich Fensterleder für die Ventile, Filz bei der Registerzugstangenführung, Bleiblech für Stimmblättchen, Plexiglas für die Schleifen, einige Messingschrauben und Messingstifte, und Messingfederstahl für die Ventilfedern,

    und ein elektrisches Gebläse:



    Beim Standort in einer (nicht heizbaren) Dorfkapelle mit normalem Raumklima, mit seltenem Publikumszugang, 1-2-maliger jährlicher Durchsicht und wenn erforderlich Entstaubung und Nachstimmung durch mich, und nur 5-10-maliger Benutzung pro Jahr:



    Wie lange ist wohl die Lebensdauer (abgesehen vom Gebläse-Motor)- wenn niemand daran unsachgemäß herumfummelt, und niemand Gründe zur Beseitigung hat - eines solchen Instrumentes ?



    Wo könnte eine Schwachstelle sein ?

  • Hallo,



    kommt darauf an, was Du unter Lebensdauer verstehst. Immerhin gibt es genügend Orgeln, die bereits Jahrhunderte überdauern. Eine unkalkulierbare Größe ist aus meiner Sicht moderner Kaltleim, da fehlenagnz einfach die Jahrhunderterfahrungen.



    Gruß, Heiko

  • Zunächst einmal halte ich es für eine sehr reizvolle Vorstellung, eine selbstgebaute Orgel in einer kleinen Kapelle aufzustellen; das habe ich auch in Erwägung gezogen.



    Was die Haltbarkeit anbetrifft wird man sich wohl über den Gebläsemotor keine Gedanken machen müssen; als Induktionsmotor ist er vollkommen gekapselt und somit von irgendwelchen Witterungseinflüssen bewahrt, auch sind, außer den Kugellagern, keinerlei Verschleißteile an ihm.



    Anders sieht es mit den eigentlichen Orgelbestandteilen aus; wie der Heiko bereits schrieb, besteht eine gewisse Unsicherheit im Kaltleim. Bei normalen Temperaturen sehe ich da kein Problem, schon in meiner Jugendzeit verwendeten wir den berühmten "Ponal", die damit verleimten Hölzer halten nach Jahrzehnten heute noch genauso fest wie ehedem.



    Eher sehe ich eine Gefahr für Filz und Leder; auch wenn die Kapelle nicht ausgesprochen feucht ist ("normales Raumklima"), so fürchte ich doch, daß sich Hölzer verziehen, das darüber geklebte Leder wirft Falten oder reißt ein, im Filz könnten sich Motten und sonstiges Ungeziefer einnisten, gar der Schimmel.



    Schade wäre es um die Mühe, wenn gar feine Lederpulpeten angefertigt wurden; andererseits muß man bedenken, daß die Profi-Orgelbauer auch nichts anders machen können, wenn ihre Orgeln in unbeheizten, feuchten Kirchen stehen müssen - und meistens funktionieren sie weiterhin ohne Schaden zu erleiden.



    Also möchte ich Dir, lieber Reinhold, zuraten und würde mich freuen, wenn es Dir gelingt, Dein Instrument in einem größeren Raum mit besseren akustischen Gegebenheiten aufzustellen als in den meist beengten Wohnzimmern,



    Alles Gute,

    Wolfgang.

  • Vom Baubeginn meines Positivs (1982) über die Fertigstellung (2002) bis 2011 (also fast 30 Jahre) stand dieses in einem ehemaligen Stall (= Bastelwerkstatt) mit immer etwas feuchten Luftverhältnissen.



    Es steht nun bereits seit Mai 2011 in einer grösseren Kapelle von 1450, ca. 8 x 16 x 7 m, mit wenig Inventar und (deshalb) hervorragender Akustik, ebenerdig auf 5 cm starken Holz-Unterklötzen, an der Nordwand (von dieser 75 cm entfernt), 3 m von der Rückwand entfernt.



    Bis jetzt ist alles in Ordnung.

    Nach 6 Wochen (Sommer-Feuchtigkeit) habe ich lediglich die Register-Zugstangen-Filzführung etwas gängiger gemacht. 2 Register-Bäume quietschten etwas (geschlitzte Holzdübel in Holzbohrung ohne Filz), diese wurden geölt, und die Register "Kleinpommer 2' " und "Zimbel 1-fach) etwas nachgestimmt.



    Leder kommt nur bei den Ventilen vor. Es gibt keine Pulpeten. Die kurzen Holzstecher von den 1-armigen Tasten direkt auf die Ventile von Dm 2 mm laufen lediglich in einer polierten Holzbohrung von ca. 2,25 mm durch das Fundamentbrett (7-Schicht-Platte von 12 mm Stärke) und drücken direkt auf die Ventile. Sie haben noch genügend Spiel auch bei grösserer Feuchtigkeit. Bei nicht gedrücktem Zustand findet dadurch auch kein Windverschleiss statt.



    Filz (Stärke 2 mm) gibt es bei den Ventilen zwischen Leder und Ventilholz sowie beim Tastenaufschlag, und als Ringe (Stärke 1 mm) zwischen Schleife und Pfeifenstock. Da kommen wohl keine Motten dran. Und 2/3 der Register haben überhaupt keine Filzringe. Die Pfeifenstöcke liegen auf dem selben Material wie die Schleifen auf, damit die Schleifen nicht klemmen, wurde nur 90g-Papier zwischen Auflage und Pfeifenstock geklebt, und alles mit Silicon-Spray eingesprüht und poliert. Die Pfeifenstöcke sind nicht festgeschraubt, liegen nur in Führungen auf, so kann nichts klemmen.



    Bei den Dichtungen der Pfeifendeckel habe ich teils Filz, teils geschlossenporigen Schaumstoff verwendet.

    Dieser könnte sich nach ein paar Jahrzehnten evtl. durch Luftverschmutzungen zersetzen und müsste dann wohl durch etwas anderes ersetzt werden. Bei den kleinen gedeckten Pfeifen (bis 2,5 x 3 mm) habe ich bis jetzt nichts geeigneteres dichtes gefunden.



    Die Zwischenlagen bei Unterlabium/Kern sind aus hartem/dichten Papier, die Kernspalte eher großzügig, so dass sich hier eine(zuerst befürchtete) Quellung/Schrumpfung bei Feuchtigkeit/Trockenheit nicht auswirkte.



    Schimmel könnte sich vielleicht mal in den Kanzellen bilden. Diese habe ich beim Bau mit verdünntem Ponal gänzlich ausgegossen und nach 1 Stunde wieder auslaufen lassen und dann lange trocknen lassen.

    Ich komme auf das Thema Schimmel nur deshalb zu sprechen, weil ich von den Ottobeurer Chororgeln (Riepp 1760) erfahren habe, dass sich in den Kanzellen Schimmel angesetzt haben soll, vielleicht schon seit Jahrzehnten, aber ohne Beeinträchtigung der Funktion.



    Beim Verwerfen von Holz sehe ich kaum Probleme. Das Fundamentbrett ist genügend stabil, die Pfeifenstöcke genügend dick (10 mm Schichtholz + 10 mm Verführungschicht + 10 mm Schichtholz), Länge der (Bass/Diskant-geteilten) Pfeifenstöcke max. 35 cm, Breite zwischen 12 und 3 cm.



    Die größeren Pfeifen sind aus Sperrholz, die kleineren aus genügend dickem jahrzente gelagertem (alte Möbel) Fichten- und Buchenholz. Alle Pfeifenteile habe ich mehrfach in Nitrolack getaucht (vielleicht würde ich heute verdünnten Ponal nehmen ?). Alles (Lade in Einheit mit Traktur und Ventilkasten) liegt auf dem verleimten und verdübelten aus Dachlattenholz gefertigtem Rahmengehäuse nur lose verdübelt auf.



    Die Federn aus Messing-Federstahl (Dm 1 mm) und die Stimmbleche aus Kupfer und Blei sind etwas stumpf nachgedunkelt, aber keinerlei Korrosion.



    Zum Schutz vor Staub und Insekten (und zur Lautstärke-Reduzierung in kleineren Räumen) stehen die Pfeifen (ausser Ged.8' C-H an der Rückseite) in einem geschlossenen Gehäuse, sind aber durch einen Lamellen-Schieber über den Tasten, einer Klappe darüber und einem bis 45-Grad zu öffnenden Dach mehrfach variabel "schwellbar".

  • Neue Kontrolle am 27.12.2011:



    Die Stimmung steht (immer noch) - bis auf 2 Pfeifen von der Zimbel.

    Aber damit muss man wohl leben bei kleinen Holzpfeifen.

    Bei den offen stehenden Pfeifen von Gedackt 8' C-H

    haben sich zwischen Sommer und Winter 2011 etwas Spinnweben angesetzt,

    so dass H etwas leiser klang. Diese Spinnweben habe ich entfernt.

    Vielleicht im Frühjahr 2012 mal mit Insekten-Spray drangehen.