Dicke Oberlabium ?

  • Hallo,

    kann mir jemand Hinweise geben, wie dick das Oberlabium bei Holzpfeifen gemacht wird? Es geht um die Boersma-Mensuren in "Bau einer Truhenorgel", also von C bis f3 für Gedackt 8', Rohrflöte 4' und Prinzipal 2'. Die Tabelle enthält keine Angaben, während in "Bau von Kleinorgeln" Werte genannt werden, die sich aber nicht auf die gleiche Mensur und nicht auf Prinzipal 2' beziehen.

    Boersma beschreibt auf Seite 22/23 (Truhenorgel)an der Pfeife c2 die Herstellung, die den Schluß zuläßt, man würde gemäß der Skizze über den ganzen Tonumfang so verfahren. Geht aber wohl nicht so. Bei der Dicken- und Längenrelation des Oberlabiums von 1:4 (Gedackt) bzw 1:6 (Prinzipal) ergeben sich gemäß Sinusfunktion 14,5° bzw. 9,2° für die Labiumschräge. Trägt man vom Winkelscheitelpunkt die Aufschnitthöhe ab, so erhält man bei c2 zwar in etwa noch den beschriebenen Wert von 1,5 mm Dicke, aber bei C käme man auf ca. 4,7 mm und das wäre mehr als die halbe Stärke des ganzen Brettchens (8mm)und mehr als das Doppelte wie bei der Kleinorgel-Tabelle.

    Was nun?

    Gruß Werner

  • Lieber Werner,

    Reiner Janke sagt: "Oberlabium so dick wie möglich" wobei er sich auf Metallpfeifen bezieht.

    Ich habe einiges hier probiert, Holz, bei -20HT gedeckt auf c0, 1/2 bis 2/3 Labiumhöhe (!), OL zwischen 1 und 1,5 mm dick; das klingt warm, streichend und ist extrem leicht zu intonieren: egal wo der UL steht kommt immer ein Ton daraus!

    Entsprechend bei C war etwa 2 mm dick.

    Aus meiner (sehr kleine) Erfahrung erzeugen scharfe OL-Kanten mehr Zischgeräusche als Musik...

    Francois

  • Wenn ich mir nun auch nicht vollkommen sicher bin, ob mit der Dicke des Oberlabiums das Maß der Kante gemeint ist, so möchte ich meine laienhafte Vorgehensweise bei der Herstellung von Holzpfeifen nennen:



    Die Kante fertige ich im Gegensatz zu den vorgenannten Anmerkungen zunächst stets ziemlich scharf, damit die Pfeifen schnell und klar ansprechen. Vor allem aber habe ich somit immer noch genug Holz an der Schneide, um beim Intonieren eine leichte Rundung anzubringen, sei es, den Aufschnitt zu erhöhen, um die Flöten vor dem Überblasen zu bewahren, sei es, den Luftstrom bei Prinzipalen oder Quintadena mehr nach innen oder nach außen zu lenken.



    Wie dem auch sei, man wird nicht herumkommen, durch eigene Versuche seinen Weg bei Herstellung und Intonierung zu finden, was freilich erleichtert wird, wenn, wie geschehen, durch ausgiebiges Studieren und Nachfragen die Erfahrungen anderer einfließen.



    Viel Freude bei der Tonfindung wünscht

    Wolfgang

  • Lieber Wolfgang Spitz und lieber troll,

    vielen Dank für die Hinweise. Ich werde damit ans "Durchprobieren" gehen. Wundere mich aber dennoch, dass

    regelrechte Maße im Rahmen von erweiterten oder verfeinerten Mensurtabellen offenbar nicht existieren bzw. nicht greifbar sind. Jedenfalls werde ich mit den Orientierungsdicken von ca. 0,5 mm bei f3 bis 2 mm bei C, sowie den Verfahrenshinweisen (so, dass Nacharbeit noch möglich ist)weitermachen.

    Grüsse Werner

  • Oberlabium

    Lieber Herr W-Bogenschuetz



    Es gibt schon Hinweise, z.B. in „Die Hausorgel“ Heft 7/96 , mit einem sehr informativen Artikel von Werner Götz – Grundsätsliches über Intonieren.

    Da ich nicht weis, ob dieser Artikel Ihnen zugänglich ist , folgenden Auszug:

    Oberlabiumkante:

    Bei offenen Pfeifen 8’ ca. 2 mm dick,

    4’ 1 mm,

    2’ 0,5 mm,

    ½’ fast scharf;

    Schneide zunächst kantig lassen, später evtl. etwas abschärfen, wenn die Pfeife obertöniger werden soll.

    Bei gedackten Pfeifen jeweils etwa 1,5 bis 2 mal so dick, Kante leicht runden. Wird ein besonders ausgeprägter Grunton gewünscht, kann das Oberlabium bogenförmig gestaltet werden, d.h. der Aufschnitt ist in der Mitte höher als außen.

    Im Übrigen schließe ich mich der Vorgehensweise an : erst eine ziemlich scharfe Kante, nachschleifen kann man immer noch.

    Ich hoffe, dass Ihnen das weiterhilft.



    Gruß Alfred

  • Hallo lieber Alfred,

    danke für den Hinweis zu Heft 7/96. Das ist schon "stark", Gedackte um 1,5 bis 2 mal mehr zu machen. Jetzt muss ich doch noch eine weitere Bass-Probepfeife mit dieser Oberlabiumkante bauen.

    Gruß Werner