engste Mensuren

  • Hallo Intonateure!



    Ich frage mich gerade, was die engste Mensur ist, die man bauen kann. Was begrenzt hier die Möglichkeiten?



    Normalerweise bauen Hausorgelbauer ja eh schon um die -12HT, da scheint es also auch nicht zu kritisch zu sein. Ich habe öfters auch schon -24HT gelesen.



    Hat jemand Erfahrungen, was passiert, wenn man noch enger baut? Oktaviert dann die Pfeife nurnoch, oder wird sie schlicht immer leiser?



    Mich würde mal die ultimative Streicher-Untergrenze interessieren.



    Gruß

    Ulf

  • Eingedenk meines geringen Erfahrungsschatzes auf dem Gebiet des Pfeifenbaus und der Intonation wage ich eine Antwort zu geben, daß Ulfs Fragestellung, welche sich wohl als allgemein für Hausorgelbauer interessant erweist, nicht länger unbeantwortet im Raume stehe:



    Unlängst fertigte ich aus Kupferrohr eine offene Pfeife folgender Abmessung:



    Länge: 600

    Durchmesser: 26

    Labiumbreite: 17

    Aufschnitt: 4

    Ton: c'

    ->Mensur: - 17,3 TNM



    Um das Überblasen zu verhindern, muß ziemlich stark gedrosselt werden, was natürlich niedrige Lautstärke zur Folge hat. Wahrscheinlich könnte man den Aufschnitt erhöhen und auch verbreitern, damit kämen vermutlich aber auch stärkere Rauschgeräusche zum Vorschein.



    Insgesamt halte ich dieses Maß für Hausorgeln gerade noch vertretbar, um ein leises streichendes Register zu verwirklichen, man mag es auch als unnötige Säuselstimme kritisieren - es bleibt eben wie so vieles im Bereich des Hausorgelbaus reine Geschmacksache.



    Ich freue mich schon auf den Augenblick, wenn ich soweit bin, mit einem Sack voll Probepfeifen aus dem Keller zu steigen, um sie den Kindern zum Probeblasen zu verteilen, während ich mich mit meiner Frau auf das Sofa fletze, um den verschiedenen Klängen zu lauschen...

  • Guten Tag,



    ich habe zwar keine Erfahrung im Pfeifenbau, deshalb kann ich auch die Maßangaben (-12HT, - 17,3 TNM) nicht deuten. Aber ich sammele derzeit Informationen zu englischen Chamber-Organs, bei denen meines Wissens v.a. die frühen Instrumente im 17. Jh. die engstmöglichen Holzpfeifen-Mensuren überhaupt aufweisen. Die Pfeifenumfänge entsprechen oft den Normalmensuren der nächsthöheren Oktave, die Aufschnitte sind ebenfalls extrem niedrig. (Ich erwarte demnächst genauere Maßangaben von einer bis auf die Windanlage vollständig erhalten Orgel von ca. 1630.)



    Die Überblass- bzw. Tonstabilisierungsproblematik wird neben niedrigem Winddruck und engen Pfeifenfüßen durch besondere Kern- und Labiumskonstruktion kontrolliert: Besonders zum Diskant hin gibt es sehr lange Kerne (über die Hälfte der Pfeifenlänge), um den Luftstrom zu stabilisieren.



    Die Kernkante liegt nicht auf einer Ebene mit dem Vorschlag, sondern ragt wie bei Metallpfeifen innen etwas über den Vorschlag hinaus und ist nach innen(!) abgeschrägt, damit der Wind das relativ dünne Oberlabium zuerst auf der Innenseite trifft. Die Vorschläge selbst sind außen ebenfalls zum Aufschnitt hin abgeschrägt. Die Kernspalte ist entweder ausschließlich eine Vorschlagsspalte (in den Vorschlag geschnitzt) oder eine Kombination aus beidem. Im Verhältnis zum Pfeifenfuß ist sie relativ weit.



    Offensichtlich wollten die Engländer Metallpfeifen imitieren, und tatsächlich kommen sprechende aus Holz geschnitzte Prospektpfeifen vor, die Metallpfeifen täuschend ähnlich sehen.



    Klanglich führen derartige Extravaganzen zu einer Schwächung der Grundtöne zu Gunsten der tieferen Obertöne, ohne Vorläufertöne bzw. Ansprachegeräusche. Ein englischer Orgelbauer sieht darin den Versuch mit Pfeifen einen Klang zu erzeugen, der dem des (noch nicht erfundenen!) Harmoniums so nahe wie irgend möglich kommt.



    Zur "Säuselstimmen-Kritik": In manchen Instrumenten kommen zwei 8` Register vor, ein kräftiger intonierter gedackter und ein offener wie oben beschrieben intonierter. Auch die höheren offenen Register sind wie oben beschrieben intoniert. Der ged. 8´ hatte offenbar die Funktion den Streicherklang der offenen Register zu ergänzen. Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens, dass die überaus reichaltige englische Überlieferung an Streicherliteratur im 17. Jh. (meist Gambenfantasien) sehr häufig ausgeschriebene Orgelstimmen enthält, für die die beschriebene Klangcharakteristik der kombinierten 8` sehr geeignet scheint: hörbar aber nicht dominierend.



    Dem Soloeinsatz dienten höhere Register, meist 4`und 2` oder 2 2/3. Mixturen treten erst ab 1660 auf.



    Englische Chamber-Organs müssten für Hausorgelbauer von höchstem Interesse sein. Es sind erstaunlich viele mehr oder weniger vollständig erhalten: aus der Zeit zwischen 1630 und 1830 sind derzeit etwa 200 bekannt! Nach und nach werden die erhaltenen Instrumente untersucht. Leider sind Informationen darüber oft an entlegener Stelle verborgen. (Z.B. Barbara Owen: "A payre of organs" and "a Vyoall" in: The Tracker, 1997, oder Dominic Gywnn: The Sound of The 17th. Century Cahmber-Organ, in: Chelys 25 (1996) [Jahrbuch der englischen Viola-da-Gamba-Gesellschaft].

  • Hallo Jochen,



    danke für den interessanten Bericht. Kurz zu den Abkürzungen. Da hast im Prinzip genau das beschrieben, für das sie stehen.



    TNM Töpfersche Normalmensur

    ist eine von Prof. Töpfer (Weimar) zur Ladegast-Zeit gefundene Wohlklingende Prinzipalmensur.



    -1HT bedeutet, dass die Pfeife C Z.B den Durchmesser der Pfeife C# hat, also "einen Hablton zu eng" ist. Das ist alles.



    Wenn du schreibst, ...

    Die Pfeifenumfänge entsprechen oft den Normalmensuren der nächsthöheren Oktave,



    dann meint das genau -12HT, wenn deine Normalmensur der Töpferschen entspricht.





    Gruß



    Ulf