Historische Intonation

  • Hallo!



    Ich beschäftige mich nun ja schon seit Jahren mit Orgeln der Familie Stumm.

    Diese Orgeln kennzeichnen sich durch einen warmen, weichen, aber kräftigen Klang aus.

    Besonders die Zungen sind recht imposant.



    Heute habe ich auf der frisch restaurierten Orgel in Sobernheim gespielt.

    Fazit: Nicht schlecht, aber wirklich so laut?

    Die Prinzipale könnten allesamt etwas wärmer und zurückhaltender sein.

    Die Hauptwerksmixtur (4-fach) ist so laut, daß sie selbst die Trompete verdeckt!

    Besonders die Terz ist stark prinzipalig, klingt im Plenum irgendwie störend.

    Nun gut, die meisten mir bekannten Stumm-Orgeln haben besonders im Aliquotenbereich eher wärmere Klänge.

    Sobernheim klingt mir zu "norddeutsch", nicht mittelrheinisch.

    Was meint Ihr, oder welche Erfahrungen habt Ihr?



    Gruß,

    Andreas

  • Hallo!



    Die Stumm-Orgeln waren bzw. sind wirklich so stark und kräftig intoniert.

    Dies liegt ganz einfach daran, dass sie für den Gebrauch bei vollbesetzter Kirche und starkem, lauten Gemeindegesang gedacht waren. Wenn man entsprechende Registrieranweisungen aus der Zeit (18. Jahrhundert) studiert, die meisst - oder oft - mit vollem Werk begleiten, und zudem noch die Tatsache berücksichtigt, dass früher wesentlich besserer Gottesdienstbesuch vorgeherrschte, kann man das nachvollziehen.

    Zudem nimmt bei vollbesetzer Kirche (und oft sind es im Hunsrück ja kleine Kirchen mit wenig Nachhall) der Nachhall stark ab, d.h. durch die Kleidung der Gottesdienstbesucher wurde/wird viel Klang "geschluckt".



    Beste Grüsse



    Thomas

  • Hallo, Thomas!



    Habe nun die von mir betreute Stumm-Orgel diese Woche fertig intoniert und gestimmt.

    Prinzipal 4' im Prospekt (rekonstruiert) recht kräftig und mit schönem Strich, aber nicht zu "scharf" sondern eher warm.

    Quint und Terz ebenfalls, wobei die beide etwas "flötiger" sind, was sich aus der Mensur ergibt.

    Mixtur kräftig und laut.

    Octav 2' ebenfalls recht spitz und prinzipalig.

    Hier waren im Diskantbereich noch etliche Pfeifen unverändert.

    Es mußten nur die Kerne wieder höher gestoßen werden, weil die Orgel 1863 umintoniert wurde. Die Oktav war demnach recht flötig und leise.

    Nun klingt sie wieder frisch und ist eine sehr schöne Klangkrone.

    Nur die tiefsten Pfeifen werden neue Kerne brauchen, da diese so starke Kernstiche (1863) hatten, daß selbst mit "Zukitten und -streichen" immer noch kein sauberer Klang zu erzielen ist.

    Stumm setzte Kernstiche, definitiv, nur wesentlich weniger und leichter als dies um 1863 der Fall war.

    Ansonsten klingt die Orgel nun bei leerer Kirche kräftig und füllend.

    Gestern war ein Konzert, volle Kirche!

    Der Klang war deutlich und klar, aber natürlich wesentlich leiser.

    Womit Deine Behauptung, Thomas, bestätigt wäre.

    Interessanterweise enthält diese Orgel die älteste, noch erhaltene Trompete Stumms mit einer recht engen Mensur!

    Sie ist nicht zu laut, aber doch klar zeichnend und mit dem typischen Klang, der der originalen Barocktrompete verblüffend ähnlich ist!

    Wen es interessiert: die Orgel ist mitteltönig temperiert (nach A. Silbermann), der originale Principalbaß war auf Länge geschnitten (Holz), an ihm konnte man ungefähr die ursprüngliche Temperatur ermitteln, natürlich nur ansatzweise, die deckte sich aber sehr gut mir der von P. Vier mitgeteilten Silbermannschen (Elsaß).

    Ein weiteres Indiz für die Wurzeln des Stummschen Stils in Frankreich!



    Gruß,

    Andreas