Guten Abend in die Runde,
was ist schöner als ein reiner Schlussakkord? Die ungleichschwebenden Temperaturen haben unbestritten in dieser Musik ihre Berechtigung. Affekte wie Tod, Teufel, Hölle, Verdammnis sind in Zeiten mitteltöniger Stimmung immer mit den entlegensten Tonarten ( Des/As ) charakterisiert worden.
Doch wer von unseren "modernen" Zuhörern kennt noch solche Zusammenhänge? Die alten diatonischen Blasinstrumente - konische Traversflöte - mussten den ( lauteren ) chromatischen Instrumenten - Böhmflöte, 13 Halbtöne = 13 gleich große Grifflöcher, die Klappen machen es möglich - weichen. Damit klingt alles gleich und jede Tonartensymbolik ging verloren.
Du hast dir ein sehr interessantes und ambitioniertes Ziel gesetzt. Die alten Theoretiker haben die verschiedenen Temperaturen auf 1/10 cent genau berechnet. Doch wie sieht die tägliche Praxis aus?
Das Oratorium steht an, 2 Tage vorher wird in der Kirche die Heizung angestellt, Samstag darf man stimmen - und tut das sehr genau.
Sonntag ist Generalprobe - Heizung zu laut - abgestellt. Einlaß- Türen stehen 1/2 Stunde bei winterlichen Temperaturen offen. 700 Zuhörer in der Kirche, greift man dann in die Tasten, braucht man gute Nerven. Da stimmt nichts mehr, der Oboer klagt seine vertraglichen 443 hz ein, das Continuo - Cello vergleicht seine eben Stimmgerät präparierten leeren Saiten mit der Orgel und schüttelt den Kopf. Und wer hat Schuld??? Natürlich der Stimmer. Erfunden??? Nein - Berufserfahrung aus fast 40 Jahren.
Wir hatten mit meinem Ensemble eine historische Tanzproduktion im Theater laufen, ich musste unser Cembalo jede Vorstellung 3x stimmen - vor der Probe - vor der Vorstellung - in der Pause.
Möge dein Projekt alle Erwartungen erfüllen, auch Flötenmeister Quantz hatte an seiner Traversflöte einst eine "es" und "dis", Klappe.
Mein sehr persönliches Fazit: im praktischen Gebrauch sind Stimmungen durch klimatische Enflüsse so labil, ich halte das Aufwand/Nutzen Verhältnis für zu hoch.
Nun ist ein Jahr vergangen, was macht die Truhe?
Herzliche Grüße