Zwei Trakturmodelle

  • In der letzten Zeit habe ich nicht gar so viel an meinem Orgelprojekt gearbeitet. Ich habe aber ziemlich viel am Computer gezeichnet und zwei verschiedene Varianten entworfen. Zwei Trakturmodelle in Originalgröße habe ich mir dann gebaut, um auszuprobieren, ob das alles so funktioniert wie gedacht, und wie es sich anfühlt. Da Ich eine 16-fache Oktavteilung verwende würde die Orgel sehr breit, wenn alles nebeneinander steht und ein Wellenbrett wäre nötig. Darum habe ich mich entschlossen, immer abwechselnd die Hälfte der Pfeifen unter der Tastatur zu haben und die andere Hälfte nach vorne zu. Die Traktur geht dann genau in der Mitte des Instruments runter. Dadurch können die Kanzellen genau unter den Tasten liegen, sind aber doppelt so breit. 13mm breite Ventilschlitze sind für eine Truhe ein echt bequemes Maß. Im Bass noch mehr, weil ich mir dort Des und Dis (sowie Ges durchweg) spare. Jedes Register hat somit vier Reihen und die Pfeifen können im 4' locker nebeneinander stehen und im 8' auch bis weit in den Tenor hinein und da werden sie dann eh bald zu groß und müssen eh an die Seite verführt werden. Hier mal ein Bild!

    Die Tastaur habe ich ausgeblendet, sie geht dann von der Mitte (blau sind die Bohrungen für die Pulpeten) nach unten und schließt bündig mit dem Gehäuse (grau) ab. Rosa ist der Rahmen der Windlade. Grün sind die Schleifen und gelb natürlich die Pfeifen. Der 8' sind die mitteren beiden Reihen und am linken Rand, der 4' steht außen auf geteilter Schleife.

  • Das erste Trakturmodell war mit Stechern auf Druck, und die Ventile damit zur Mitte hin aufgehend. Der 8' steht dadurch genau über der größten Ventilöffnung, was für die Ansprache günstig sein sollte. Allerdings brauche ich einen Hebel mehr, weil ich sonst mit 8mm Tastenhub keine 6mm Ventilhub erreichen kann. Am einfachsten wäre es natürlich gewesen, Tasten quer über das ganze Instrument zu bauen, aber damit wäre der Tastenhub bei Traktur in der Mitte natürlich genau doppelt so groß wie der Ventilhub.

    Das hier ist rausgekommen und es funktioniert eigentlich wie erwartet:


    Gesamtaufnahme - Detailaufnahme Tastatur - Detailaufnahme Windlade.

  • Die hintere Tastenführung ist hier nicht gut zu sehen, läuft aber wie es bei Cembali üblich ist mit Plättchen in einer senkrecht geschlitzten Leiste. Das habe ich beim Cembalo schon mal gebaut, deshalb war mir das sympatischer als die versteckten Stifte unter den Tastenbelägen, die beim Orgelbau eher üblich sind.

    Leider ist die ganze Sache mit der zusätzlichen Achse echt umständlich zu bauen und es gibt trotz sehr straffem Spielgefühl ein unschönes Klappergeräusch beim Zurückgehen der Taste. Irgendwo in diesem zweiten Hebel über der Taste passiert es. Ich habe mich dann zusammen mit einem befreundeten Orgelbauer beraten und mich nun für die zweite Variante mit einer Traktur auf Zug entschieden. Die ist deutlich leiser und auch noch wesentlich einfacher zu bauen! Der einzige Nachteil ist, dass jetzt der 4' öber der größten Ventilöffnung steht. Wenn ich das umdrehe komme ich an eine Reihe von Pfeifen des 4' nur noch über die ganzen anderen Pfeifen hinweg. weil oben die Tastatur ist, zum Spieler hin die großen 8'-Pfeifen und nach hinten hin die Traktur. Der Orgelbauer meinte aber, bei so kurzen Kanzellen und nur 8 und 4 dürfte der 8er genug Wind bekommen. Schwierig sei es eher, wenn ein 8' weit entfernt steht und dazwischen andere Register und diese mal an sind und mal nicht, wodurch die Stimmung des 8' sich ändern kann.

  • Und das ist das zweite Modell! Die Ventile sind geschwänzt, um den Zug nach oben über eine Kippachse in einen Ventilaufgang nach unten zu übersetzen. Laut Orgelbauer auch sehr unorthodox, aber einfach und erfolgversprechend. Obwohl das rechnerisch so stimmt, sind die Verhältnisse aber noch nicht ganz richtig. Offenbar schluckt das Spiel in den Filzen einiges an Weg, denn das Ventil geht aktuell nicht weit genug auf. Ich werde die Kipp-Punkte noch etwas verschieben müssen. Die Traktur hat durch die kurzen hinteren Hebel an Taste und Ventil nur gute 3mm Hub, was für die Pulpeten natürlich günstig ist, die ich aus einem Schafslederstreifen selbst mache. (Pulpeten waren beim anderen Modell gar nicht nötig, weil das Ventil das Stecherloch verschlossen hat und daher nur bei gedrückter Taste minimal Luft hätte entweichen können.)

    Bei beiden Modellen fehlt narürlich die Hälfte der Windlade die au der vom Spieler entfernten Seite der Traktur liegt. Die Hebel der geschwänzten Ventile bei diesem Modell überkreuzen sich übrigens in der Mitte, sonst hätte ich den Ventilschlitz noch kürzer machen müssen. Darum ist die Traktur bei diesem Modell genau andersrum schräg, als bei dem Modell auf Zug.


    Kommentare, Kritik und Anregungen sind gern willkommen! Dazu habe ich diese Modelle hier ja auch vorgestellt...

  • Hallo,

    das mit dem Hebel hinten an der Taste, das erste Modell, würde ich schon allein wegen des fragwürdigen Spiel-Gefühls nicht weiter verfolgen: Die Taste schabt, wenn ich das richtig sehe, an ihrem hinteren Ende beim Niederdrücken auf die Hebelunterseite; bei Pedaltasten habe ich das so verwirklicht, mit ausgiebig abgerundeten Aufschlagklötzchen, doch bei einer Manualtastatur würde ich das nicht machen, um das Feingefühl in den Fingerspitzen allein dem Ertasten des Druckpunktes vorzubehalten, möglichst ohne Reibungs-Komponenten.


    Auf jeden Fall ist das eine interessante Konstruktion, um den Klaviaturabstand für die Kanzellenbreite zu verdoppeln; eine ähnliche Lösung baute ich in meinem Ventilkasten, wo die Ventile abwechselnd nach vorne und nach hinten liegen mit den Ventilabzugsdrähten, an welchen direkt die Tasten hängen, gänzlich ohne Mechanik. Auf diese Weise hatte ich Platz für 25 mm breite Pfeifen in zwei Reihen, abwechselnd nach vorne und nach hinten sprechend, das ganze halt nur für ein Register. Wie man auf dem Bildchen links erahnen kann, habe ich die Baßpfeifen ab dem e0 abwärts, da diese das Breitenmaß 25 mm überschreiten, als Gedackte ausgeführt, mit Schläuchlein "verzogen", das nur so nebenbei.


    Dir, lieber Orgelkollege, wünsche ich guten Erfolg bei dem Vorhaben!

    Wolfgang.

  • Aufgrund des geringen Hubs ist da optisch echt kein Schaben festzustellen, wobei es theoretisch eigentlich stattfinden müsste. Ich habe die Lederauflage nur so lang gemacht, weil ich es nicht millimetergenau ausmessen wollte, wo die Schraube (die übrigens einen gut gerundeten Kopf hat) landet. Aber das andere Modell ist echt besser und nachdem heute die Ausdrucke der Pläne gekommen sind, kann ich an das Ausarbeiten der Schlitze auf der Ventilplatte gehen. Die Nuten in die Rahmenhölzer zum Einstecken der Schiede habe ich mir jüngst beim Orgelbauer mit der Kreissäge machen lassen, das war mir mit Handwerkszeug zuviel Aufwand und wäre natürlich auch nicht so präzise geworden.

    Danke für die guten Wünsche!
    Samuel