Vorstellung Neuling

  • Hallo zusammen! Ich komme aus dem Schwarzwald und bin nach einigen Instrumenten-Bauprojekten nach Bausätzen (Portativ und Clavichord) sowie frei nach dem Plan (Cembalo) gerade an einem Truhenorgelprojekt. Ein befreundeter Orgelbauer unterstützt mich dabei und das spezielle am Instrument ist die 16-fache Teilung der Oktave für mitteltönige Stimmung mit cis/des, dis/es, gis/as und ais/b. Das ges spare ich mir, weil man es echt nie benötigt. Bis jetzt gibt es 2/3 des Gedeckt 8' von oben her und erste Teile der Windanlage. Und einen riesen Stapel Ahorn-Sägefurnier in meiner Garage :)...

  • Hallo SamEs,

    es freut mich, wieder ein neues Mitglied hier in unserem Forum zu begrüßen.

    Deine Truhenorgel wird ein ganz besonderes "Projekt":

    "16-fache Teilung der Oktave für mitteltönige Stimmung mit cis/des, dis/es, gis/as und ais/b"


    Von Cembalo-Spielern hörte ich, daß jene sich die Mühe machen, das Instrument immer wieder neu zu stimmen und dabei die verschiedenen Stimmungen verwirklichen, aber bei der Orgel, willst Du das mit geteilten Tasten erreichen, und lohnt sich wirklich der Aufwand?


    Wie auch immer, viel Erfolg und Freude beim Bau und beim Spielen!

    Wolfgang.

  • Gerade bei der Orgel lohnt der Aufwand, denn eine ligende suboptimale Terz fällt viel mehr ins Ohr als bei einem Cembalo, was schneller verklingt. (Das Cembalo profitiert aber auch ungemein von reinen Terzen, weil es dann viel resonanter klingt.) Ich hatte schon oft Konzertprogramme, bei denen man wegen eines eizigen Stücks dann doch viel milder temperieren musste, ale für die anderen Stücke schön gewesen wäre. Umstimmen (etwa von gis nach as) während des Konzerts, geht vielleicht bei zwei Cembalosaiten, da hat man die Wirbel vor der Nase, aber eine Truhe braucht doch meist ein bisschen Zeit, bis man an den Pfeifen dran ist. Diese Kompromisse sind dann Vergangenheit 😎! Nachteil: beim Transponieren mittels Tastaturverschiebung muss man bei geteilten Obertasten komplett umstimmen, aber das muss man sonst ja meist auch, wenn man nicht gleichstufig gestimmt hat, was für mich als Barock-Freak ein absolutes "no-go" ist.

  • Guten Abend in die Runde,

    was ist schöner als ein reiner Schlussakkord? Die ungleichschwebenden Temperaturen haben unbestritten in dieser Musik ihre Berechtigung. Affekte wie Tod, Teufel, Hölle, Verdammnis sind in Zeiten mitteltöniger Stimmung immer mit den entlegensten Tonarten ( Des/As ) charakterisiert worden.

    Doch wer von unseren "modernen" Zuhörern kennt noch solche Zusammenhänge? Die alten diatonischen Blasinstrumente - konische Traversflöte - mussten den ( lauteren ) chromatischen Instrumenten - Böhmflöte, 13 Halbtöne = 13 gleich große Grifflöcher, die Klappen machen es möglich - weichen. Damit klingt alles gleich und jede Tonartensymbolik ging verloren.

    Du hast dir ein sehr interessantes und ambitioniertes Ziel gesetzt. Die alten Theoretiker haben die verschiedenen Temperaturen auf 1/10 cent genau berechnet. Doch wie sieht die tägliche Praxis aus?

    Das Oratorium steht an, 2 Tage vorher wird in der Kirche die Heizung angestellt, Samstag darf man stimmen - und tut das sehr genau.

    Sonntag ist Generalprobe - Heizung zu laut - abgestellt. Einlaß- Türen stehen 1/2 Stunde bei winterlichen Temperaturen offen. 700 Zuhörer in der Kirche, greift man dann in die Tasten, braucht man gute Nerven. Da stimmt nichts mehr, der Oboer klagt seine vertraglichen 443 hz ein, das Continuo - Cello vergleicht seine eben Stimmgerät präparierten leeren Saiten mit der Orgel und schüttelt den Kopf. Und wer hat Schuld??? Natürlich der Stimmer. Erfunden??? Nein - Berufserfahrung aus fast 40 Jahren.

    Wir hatten mit meinem Ensemble eine historische Tanzproduktion im Theater laufen, ich musste unser Cembalo jede Vorstellung 3x stimmen - vor der Probe - vor der Vorstellung - in der Pause.

    Möge dein Projekt alle Erwartungen erfüllen, auch Flötenmeister Quantz hatte an seiner Traversflöte einst eine "es" und "dis", Klappe.

    Mein sehr persönliches Fazit: im praktischen Gebrauch sind Stimmungen durch klimatische Enflüsse so labil, ich halte das Aufwand/Nutzen Verhältnis für zu hoch.

    Nun ist ein Jahr vergangen, was macht die Truhe?

    Herzliche Grüße

  • Der 8-Fuß ist fertig bis auf Stöpsel und Füße und vom Rest gibt es noch nicht viel. Die Rahmenhölzer der Windlade und die Schiede habe ich jetzt aber schon vorbereitet und als zwei große Balken (temporär an den Enden verleimt) abrichten und auf gleichmäßige Stärke 36mm hobeln lassen.

    Das letzte halbe Jahr war beruflich sehr anstrengend, somit ging es nicht so schnell wie erhofft weiter. Ich habe aber in den letzten Wochen mittels QCAD die Windlade gezeichnet, um Pfeifenanordnung, Bohrung der Löcher etc. konsistent planen zu können. Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich mir dann die Ventilschlitze computergesteuert fräsen lassen kann, aber das ist irre teuer (ein Unternehmen in Berlin hat 600€ für die 68 Ventilschlitze veranschlagt), da greife ich lieber selbst zum Werkzeug und lasse mir die Pläne auf Papierrolle ausdrucken, was bei Onlinedruckereien erstaunlich billig ist. Für einen Probeplan A0 habe ich 13€ gezahlt. Demnächst werde ich den Plan noch mit einem Orgelbauer diskutieren, um sicherzustellen, dass ich keinen kapitalen Fehler in der Planung habe.


    Leider ist auch Orgelbau Fischer seit fast einem Jahr im Lieferverzug mit dem Holz, was ich aus seiner Geschäftsauflösung erworben habe. Die Kirsche für außen brauche ich ja noch nicht gleich, aber das abgelagerte Lindenholz für Tastatur, Ventile und so weiter wäre schon wichtig so langsam mal in der Werkstatt zu haben. Die Kleinteile wie Federn und Schmidt-Ringe hat er schnell geliefert, aber das Holz ist wohl auf der Wiese komplett zugebaut und er kommt nicht ran. Geht das anderen in diesem Forum auch so? Wenn man gemeinsam Druck macht, passiert vielleicht schneller was!


    Hier schon mal ein Blick auf den Plan: Rfl 4' steht aussen, das Ged 8' innen, wobei die Bassoktave mit Kondukten zur Seite geführt wird, da sie nicht unter die Klaviatur passt. Die Ventile gehen zur Mitte der Orgel hin auf, wo auch die Stecher runter kommen. Bei 16 Tönen pro Oktave wäre entweder die Windlade zu breit geworden, wenn alle Kanzellen nebeneinander liegen, was ein Wellenbrett nötig gemacht hätte, oder die Kanzellen wären zu schmal geworden. Durch eine Verteilung auf vorne und hinten habe ich eine gerade Traktur und schön breite Kanzellen: (21mm von Mitte zu Mitte, in der Bassquine sogar 30mm)


  • "das ist irre teuer (ein Unternehmen in Berlin hat 600€ für die 68 Ventilschlitze veranschlagt)"


    Entschuldigt bitte, wenn ich mich aus der Sicht eines Unternehmers dazu äußere: 68 Ventilsschlitze fräsen, vermutlich ein einmaliger Auftrag, da wird vielleicht einfach etwa 1 Arbeitstag kalkuliert, Stundensatz mit Maschineneinsatz 100 Euro, 6 Stunden...


    Für das Gefühl im Privatbereich mag das viel erscheinen, doch das handwerkliche Unternehmen will und muß Profit erwirtschaften, gerade bei kleinen Aufträgen, die er "hineinschieben" muß in den laufenden Produktionseinsatz.

    Und hochpräzise muß es ja auch werden, mit computergeführten Maschinen.


    Froher und gesegneter Erster Advent,

    Wolfgang.

  • Das war ein Unternehmen, was auch speziell Einzelaufträge für Bastler bewirbt und den Schriftzug für mein Cembalo hatten sie mal für einen ganz akzeptablen Preis aus Furnier gelasert. War aber keine Kritik am Unternehmen, nur die Verwunderung meinerseits, weil ich weniger erwartet hätte und es mir auch nicht vorstellen kann, dass es einen vollen Tag kostet, so eine Platte unter eine CNC-Fräse zu legen und die Datei einzuspielen. Aber ich bin da natürlich kein Experte, werde halt selbst zur Dekupiersäge greifen und das Blatt zigmal neu einspannen müssen...

    Viele Grüße Samuel