Ungewöhnliche Instrumente

  • Hallo Jens,



    ich war kürzlich in Wien im Technikmuseum und habe mir wieder einmal die sehr gut ausgestattete Musikabteilung angesehen und bin auf diese Multiplexorgel gestossen:







    Der Orgeltyp ist ja an sich nichts besonderes, aber man hat bei den grossen Holzpfeifen noch so seltsame Teile eingebaut, die anscheinend die Tonhöhe regulieren sollen oder was meinst Du?







    oder hier:







    Was es auch sein könnte, eine Pfeife, die sowohl gedeckt, als auch offen anspielbar ist, je nach Register.



    Liebe Grüße,



    Stefan


  • Es ist beachtlich, welch technischer Aufwand manchmal betrieben wird, um ein paar reale Pfeifen einzusparen.



    Entweder stammt diese Denkweise noch aus früheren Jahrhunderten, als das Material teuer war und die Löhne billig, oder es ist lediglich eine Spielerei mit den technischen Möglichkeiten. Oder das Argument „Platzmangel“, dann war das Instrument von Anfang an für den entsprechenden Raum falsch konzipiert. Oder für den neuen ungeeignet.



    Anfällig für Störungen und ein unbefriedigender gleichmäßiger Verlauf von Klangfarbe und Lautstärke sind solche Lösungen allemal.



    Und der technische Aufwand (Arbeitszeit) ist von den Kosten her wohl meist größer als eine einfache Lösung mit realen Pfeifen. Und sind diese Pfeifen aus mehreren Abbruch-Orgeln zusammengewürfelt, umintoniert, angelängt/abgesägt, ist das ganze optisch (Material-Mix) und meist auch klanglich (für höheren Winddruck konzipiert) unausgewogen und mit versteckten Alterungs-, Bruch- und Störungsstellen behaftet.



    (Fast) in diese Richtung gehend sehe ich auch den pneumatischen Kegelladen-Bau (mit oder ohne Elektro-/Midi/Electronic-Zusätzen) bei Orgeln unter 15 Register. Aber hier mag der Spaß am handwerklichen tüfteln und basteln überwiegen.



    Eine solide gebaute Schleiflade, möglichst ohne Gummi/Kunststoff/moderne Kleber und Lacke und wenig Metall, hält (abgesehen vom Gebläse) ein paar Jahrhunderte, und das bei minimalem Wartungsaufwand.

    Bei Pneumatik kann man vielleicht mit 50-100 Jahren rechnen (bei schon einiges an Wartungsaufwand), Bei Elektrik 30-50 Jahre, und bei Elektronic vielleicht nur 20-30 Jahre, dann gibt es kaum noch Ersatzteile. Ist wohl aber bei Electronic auch gar nicht erwünscht.



    Auch ich habe beim Bau meines Positivs mangels damaligen Wissens (Materialwahl, Disposition, Maße und Optik) nicht konsequent gebaut. Zwar ist es bis jetzt (12 Jahre) störungsfrei, aber in 20-30 Jahren wird wohl niemand mehr eine Reparatur vornehmen können/wollen. Es war eben auch so eine Tüftelarbeit mit Spaß am basteln – und marginalem Spielen.

  • Hallo,



    ja, wahrsch. um die Tonhöhe zu beeinflussen.



    Ich denke, das Thema hat mehrere Aspekte. Das eine ist Platzgewinn, das andere ist Technikverliebtheit und das Ausprobieren neuer Lösungen. Mit der Zeit pendelt sich Aufwand gegen Nutzen ein. So ist die Multiplextechnik heute fast ausgestorben, es gibt aber oftmals in neuen Orgeln Wechselschleifen oder andere Vorrichtungen die wirklich was bringen ohne viel Klang zu verlieren. Auch die Idee mit der Doppelnutzung von Pfeifen im Baßbereich (z.B. Rohrflöte 8' entnimmt Bass aus Gedackt 8') ist ja heute fast an jeder Orgel in irgend einer Weise zu sehen (Schwellwerk oder Positiv). Ähnlich ist es mit Vorabzügen oder Transmissionen. Alles in allem sollte man solchen "Technikschnickschnack" behutsam einsetzen, immerhin ist es ein Musikinstrument. Aber ganz darauf zu verzichten, wenn es erwiesenermaßen Vorteile bringt, wäre ja auch verkehrt.



    Gruß



    Jens

  • Hallo,



    möglicherweise handelt es sich um eine Art Mehrfachtonpfeifen.



    Niemand wird freiwillig auf "Sparlösungen" zurückgreifen. Die zentrale Frage ist immer, welches konzeptionelle Ziel verfolgt wird. Wird z.B. ein Principal 8´ gewünscht, für eine vollständige tiefe Octave ist keine Grundfläche vorhanden muss man sich fragen wo die Priorität gesetzt wird. Soll auf das Register dann vollständig verzichtet werden (puritanische Lösung)? Oder gibt es Lösungsmöglichkeiten mit denen das Register dann doch ausgeführt werden kann? Z.B. 6 Doppeltonpfeifen statt 12 "normaler" Pfeifen für die tiefe Octave (pragmatische Lösung).

    Wenn dann der konzeptionelle Nutzen des Gesamtregisters die eventuellen Einschränkungen in der Intonation in der tiefen Octave überwiegt, so wäre meines erachtens die "pragmatische Lösung" zu bevorzugen.



    In der Tat sollte allerdings mit sochen "pragmatischen" Lösungen nicht allzu freizügig umgegangen werden.



    Unabhängig davon ist eine Orgel ob es einem Passt oder nicht immer auch Technik. Das gilt auch für die Schleiflade mit mechanischer Traktur. Und das ist auch das Ergebniss eines Entwicklungsprozesses.



    Gruß Daniel

  • @Reinhold_S

    Ich würde nicht verallgemeinern.

    Sieh mal das Buch von Kares und viele Instrumente die mit diesen Ideen gemacht worden sind, als echte individuelle Lösungen.

    Was die Pneumatik anbetrifft (Srörungen, Lebensdauer), kommt es schon an das System darauf an. Mit manchen Membranensystemen z.B. (nicht Taschen) bedarf es schon Neobarockisierer um das System platt zu machen.