Ästhetik im (Haus-)Orgelbau

  • Ein Thema was mir sehr wichtig ist ist die Ästhetik im Orgelbau. Ich bin zum Beispiel ein Freund von klassischen Holzverbindungen (Schlitz Zapfen Verbindung für Gehäusetüren mit eingenuteten Füllungen,gezinkte Windkästen, Kein Furnier, wo es geht ausschliesslich Massivholz (ausser es ist sinnvoll, z. B. bei WIndladenplatten oder sowas. Bei Kleinorgeln eher zu vertreten., keine Sperrholz oder Faserplatten, Nur Schlitzschrauben, keine Spax, Torks, Assys oder wie sie alle heissen... keine Plastikschläuche dafür sauber gelötete Bleikondukten (Leider bei mir wegen des Platzes nicht möglich...) Ich finde es schade dass selbst namhafte Orgelbaufirmen ganze Orgelgehäuse, seien es Schwellwerke oder Rückwände und Dächer aus Kreuzverleimten Fertig-Fichteplatten zusammenschustern, oder Wellenbrettern aus IKEA-Arbeitsplatten. Spieltischchassies aus Multiplex, und dann zu horrenden Preisen... wo ist da die Liebe zum Detail? Vielen ist es egal wie es in einer Orgel aussieht. Gezinkte Gehäusekränze, Verdübelte Schlitz-Zapfen Gehäuseteile, von Hand ausgestemmte Manubrienöffnungen, selbstgebaute Klaviaturen, mechanische Trakturen, ein handgehobeltes Gehäuse, dass ist es doch was das Auge erfreut? Viele Organisten achten nicht auf soetwas. Schade. Man kann nicht immer sagen dass es letztendlich auf den Klang ankommt. Das Gehäuse klingt schliesslich mit oder?

  • "...Man kann nicht immer sagen dass es letztendlich auf den Klang ankommt..."

    Ist ja schön wenn eine Orgel handwerklich super gebaut ist, doch wenn es klingt wie Klavier und Lötlampe???

    Zur weiteren Diskussion:

    "Es gibt derer Maßnahmen viele, die eine Orgel teurer, jedoch nicht unbedingt besser machen."

    Gruß

    Josef

  • Lieber Josef, verehrter Meister Corno,

    daß das oberste Gebot der schöne Klang sein müßte, das steht wohl außer Frage, indes wage ich die Behauptung, daß die Seligkeit des Zuhörens eine enorme Steigerung erfahre durch den optischen Reiz, welcher von der liebvoll geformten Schnecke der Streichinstrumente, dem majestätisch-dunklen Holz der Oboe und des Fagots, dem silbrigen Schimmer der Querflöte, dem goldenen Schein der Blechblasinstrumente ausgeht und sicherlich ganz besonders von der Zierde des Orgelprospektes, dessen Anblick allein bereits eine sehnende Spannung auszulösen vermag, noch ehe die Königin der Instumente zu singen beginnt!



    Der Selbstversuch läßt meine schwülstige Hingebung zur Wirklichkeit werden: selbst namhafte Kirchenmusiker erteilten beim ersten Anblick dieses Prospektesder Orgel gewaltige Vorschußlorbeeren, und so manches Übel wird im vorneherein verziehen, wie in diesem Fall die etwas träge elektropneumatische Traktur, das dumpfe Gedacktgerülpse, die plärrende Trompete, das quengelige Salizional.



    Umgekehrt erwartete ich neulich nicht viel beim ersten Anblick dieser Orgel,zu unrecht, der offene Prospekt mit den zum Teil verbeulten (!) Zinkpfeifen birgt durchaus klangliche und spieltechnische Qualität!



    Doch endlich zurück zu der Ausgangsfrage, die auf die Verarbeitung abzielt, mithin die inneren Werte unter die Lupe nimmt, das meist unsichtbare Verzapfen und Verzinken; nun je, wer über die handwerklichen Fähigkeiten verfügt im Verein mit der entsprechenden Werkstatteinrichtung, der wird mit berechtigtem Stolz dem staunenden Besucher die Deckel öffnen und die gediegene Ausführung des Invisibiliums vor Augen führen, während es mir keinen Zacken aus der Krone bricht, wenn ich als Dilettant dem Besucher, wohl gemerkt: nur dem wirklich interessierten Besucher, das zwar funktionelle, aber unsauber gestaltete Innenleben aufzeige.



    Die Sache ist vergleichbar mit dem Orgelspielen selbst: Als Aushilfsorgler sonder Lohne nehme ich mir wesentlich mehr Freiheiten, in welcher schlichten Form ich den gottesdienstlichen Volksgesang begleite, als sich das der professionelle Hauptorganist leisten dürfte, doch auch ihm wird die überwältigende Mehrheit der Kirchenbesucher verzeihen, wenn er nicht immer bei allen Chorälen das beste gibt, was künstlerisch möglich wäre.



    Wofür ich überhaupt kein Verständnis aufzubringen in der Lage bin ist die Ablehnung der Kunststoffschläuche als Kondukte; an der Verwendung dieser weichen, glattwandigen Schläuche kann ich keinen Makel finden; freilich kann der Fachmann problemlos in das Regal greifen und die entsprechenden stilgerechten Bleiröhren herausziehen, es gefallt, denn es ist alt, muß sich das der laienhafte Hausorgel-Bastler antun? Hätte ich als Student damals schon die Möglichkeit gehabt, diese heute vom Preis her doch einigermaßen erschwinglichen Schläuchlein zu erwerben, wäre mir manche Plage des Klebens von starrem Kunststoffrohr erspart geblieben.



    Und zu allerletzt noch, wer so weit gelesen hat, ist selber schuld, was neben Klang- und Verarbeitungsqualität noch nicht angeklungen ist, die Qualität der Mechanik, dieses m. E. ganz entscheidende Kriterium, das auf gleicher Ebene stehen muß wie jenes des Klanges, denn was helfen die schönsten Pfeifen, der wunderbar anzuschauende Prospekt, das Bewußtsein der perfekten Holzverarbeitung, wenn Schwergängigkeit und Ungleichmäßigkeit der Traktur der ganzen Freude ein Ende bereiten!



    Und doch ist es zunächst die Optik, es war der Anblick dieser Orgel, der in mir das längst erloschen geglaubte Glimmen zur brennenden Sehnsucht entfaltete, mich wieder mit dem Orgelbau zu beschäftigen...



    Mit freudedurchströmten Gemüt grüßt Euch

    Wolfgang.