StimmungssystemEN Praetorius

  • Ihr Lieben,



    Aus der Südamerikanische Pampa habe ich nun Zugangsschwierigkeiten zu einige Bücher. De Organographia gibts hier einfach nicht. Deshalb:



    Kann mir jemand sagen, wie Praetorius sein Cembalo-Universale (mit 19 Töne / Oktav) stimmt. Ins Netz ist kein Beschreibung zu finden.



    Danke im Voraus

  • Hallo,



    liebe Grüße nach Südamerika! Da wird es jetzt ja im Gegensatz zu Deutschland eher warm sein.



    Ich schätze mal, dass Prätorius, wie auch Francisco de Salinas, 1/3-Komma-Mitteltönig angewandt haben für 19 Tasten pro Oktave. Das schöne ist dabei nämlich, dass die Rechnung ohne Wolfsquinte aufgeht, bei 19 Tönen landet man tatsächlich beim Ausgangston, auf wenige Cent gerundet natürlich. Damit ist diese Stimmung (1/3 syntonisches Komma Mitteltönig) fast exakt gleich wie 19-tönig gleichstufig. Die Großterzen werden dabei aber ziemlich klein, da muss man sich erst dran gewöhnen, da die ja sonst immer zu groß sind ;-). Ich schätze mal, dass diese Seite Dir weiterhelfen wird:



    http://en.wikipedia.org/wiki/19_equal_temperament

    Da wird auch auf Salinas und 1/3-Komma verwiesen.



    Ich habe mal ein Stück in dieser Stimmung gehört, war echt interessant. Beschäftige mich schon seit Jahren mit Temperierungen.



    Gruß



    Jens

  • Hallo,



    wo wir schon bei Thema Stimmungen sind: Wer im 12-tönigen Tonsystem bleiben will, für den hätte ich zwei Entwürfe anzubieten, die ich mir selbst erstellt habe.



    Das eine ist ein Versuch, die mitteltönige Stimmung so aufzuweiten, dass die Großterzen der zentalen Tonarten gerade noch als rein empfunden werden (max +6 Cent), die Quinten ebenfalls (max -4) und der Wolf auf zwei Quinten verteilt wird und somit erträglich macht. Die eine zu große Quinte kompensiert sogar die As-Dur-Terz. Geeignet für Musik bis zu Bach:



    http://freenet-homepage.de/jensganter/ak_ho/Ganter_2008.pdf



    Die andere Idee kam mir per Zufall in den Sinn. Als ich so mehrere wohltemperierte Stimmungen betrachtet habe, dachte ich mir: Das mit den Terzen könnte auch ein Sinusverlauf sein! Also hab ich mich gleich rangesetzt und eine Stimmung damit konstruiert. Die Centabweichungen der Quinten, Klein- und Großterzenlinie entsprechen einem Sinusverlauf. Geeignet für sämtliche Epochen, keine Klangsprünge bemerkbar, Zentrale Tonarten trotzdem merklich besser als gleichstufig. Ähnelt einer Temperatur von Reiner Janke:



    http://freenet-homepage.de/jen…G_Terzensinusstimmung.pdf



    Mein Clavichord stimme ich meist mit Methode 1 ein, die Orgel mit Methode 2 weil ich dort nicht nur barock drauf musiziere.

    Kann auch anbieten, sämtliche Stimmungen, solange Centeinteilungen dabei sind, in MP3 zu konvertieren und zu verschicken. Ich stimme mein Clavichord und meine bislang elektronische Orgel jetzt immer mit dem MP3-Player, zumindest die eingestrichene Oktave. Falls also jemand sowas auch braucht: Einfach fragen.



    Gruß



    Jens

  • Meine Vermutungen bestätigen sich durch diese Seite:



    http://www.omm.de/veranstaltun…006/HER-2006konzerte.html



    Da heist es:



    Im Instrumentenbau schlug sich diese Entwicklung im »Cembalo universale« nieder, das mit seinen geteilten Obertasten diverse Stimmungen ermöglichte. 1979 baute Keith Hill ein »Cembalo universale« nach Beschreibungen aus dem Syntagma Musicum II (1619) von Michael Praetorius, das in diesem Konzert in einer gleichschwebenden 1/3-Komma-Stimmung zu hören war. Auch oder gerade für unsere „modernen“ Ohren klangen die von Harald Vogel gespielten Kompositionen von Ascanio Mayone (Toccata quinta in A) und Guillaume Costeley (Chanson spirituelle) doch sehr ungewohnt und gewöhnungsbedürftig.

  • Hallo Francois,



    troll:
    Kann mir jemand sagen, wie Praetorius sein Cembalo-Universale (mit 19 Töne / Oktav) stimmt.



    vor mir liegt der Faksimile-Reprint des Syntagma Musicum, erschienen bei Bärenreiter. Im zweiten Teil steht unter Kapitel 40 S.63ff. der Text zum Clavicymbalum Vniversale, seu perfectum. Er schreibt dort über ein Instrument, das er vor 30 Jahren (Syntagma ist von 1619) in Prag kennengelernt hat, mit 77 Tasten von C bis c'''. Zitat:





    Praetorius
    Ich habe aber zu Prag bey dem Herrn Carl Luyton / Röm. Käyserl. Majestät vornehmen Componisten vnd Organisten / ein Clavicymbel mit aequal Säitten bezogen / so vor 30. Jahren zu Wien gar sauber / und sehr fleissig gemacht worden / gesehen; in welchem nicht allein alle Semitonia als b cis dis fis gis durch und durch dupliret / sondern auch zwischen dem e vnd f noch ein sonderlich Semi- oder semitonium (wie es etzliche nennen) gewesen / welches bey dem genere Enharmonico nothwendig seyn muß / daß es also in den vier Octaven vom C biß ins c''' / in alles 77. Claves gehabt hat.



    Er notiert dann noch mehrfach, welche Töne genau vorhanden waren (c cis des d dis es e eis f fis ges g gis as a ais b h his), schreibt, dass man das ganze auch noch rücken konnte um bis zu 3 ganze Töne (c cis des d dis es e). Zur Stimmung schreibt er nur im Vergleich zur Laute:





    Praetorius
    Denn ob zwar vff den Violen de Gamba, fürnemblich aber vff der Lauten eine Mutet oder Madrigal durch alle Semitonia, vnd also das genus Chromaticum von einem geübten vnd erfahrnem Meister vnd Lautenisten musiciret werden kan; So ist es doch nicht so rein und just / als vff einem solchen Clavicymbel / zu wege zubringen; Aus denen Ursachen: Dienach vff den Violen de Gamba, vnd den Lauten die Bünde alle gleich weit (doch je näher dem Steig / je enger / welches sich ohne das verstehet) von einander abgetheilet / vnd also die Semitonia, weder majora noch minora, sondern vielmehr intermedia können und müssen genennet werden. Sintemal meines erachtens ein jeder Bund / Band oder Griff / (wie man es dann außsprechen wil) 4 1/2. Commota in sich halten thut / da sonsten das Semitonium majus fünff; das Semit. minus aber nur vier Commata in sich begreiffet.





    Grüße von Uli

  • Hallo Ulrich, Hallo Francois,



    das klingt doch schwieriger als ich mir dachte. Dann hatte ich wohl nicht so ganz recht (Prätorius vs. Salinas). Werde aus dem, was Prätorius so schreibt, aber nicht ganz schlau. Insgesamt ist die Angelegenheit wohl sehr experimentell, ansonsten hätte es sich ja durchgesetzt im Laufe der Zeit.



    Gruß



    Jens

  • Vielen vielen Dank an euch beide! Das hilft mir weiter sehr!



    Meine Stimmungssystemen* nutzen dann 19 Töne / Oktav, mit 12 absolute reine Terzen + 12 absolute reine terzen + 15 absolute reine Quinten ( + 3 unreine Quinten, denn es sind mehr als 12 Quinten nötig!). Alle schwarze Tasten sind doppelt, ausser das Dis/Es, der dreifach ist, und das h ist ebenso doppelt. Bei Orgeln finde ich sinnvoller, Umschaltpedalen + Knöpfe zu verwenden, da sonst die Klaviatur sehr unübersichtlich wird. Ich vermute, dass Praetorius sein Stimmungsnetz lediglich so anders aufteilt, dass die Extra-Töne besser verteilt werden.



    Es klingt zwar nach Gewöhnung sehr schön und fein, aber ich weiss noch nicht ob ich das Mehraufwand im Kauf nehmen möchte. Ästhetik kontra innere Schweinehund?



    * Das einfache, mit 17 Töne / Oktav, bietet mir schon 12 absolut reine Terzen + 9 absolut reine terzen + 12 absolut reine Quinten ( + 3 unreine Quinten)

  • Hallo Francois,



    ob das mit Ästhetik oder Schweinehund zu tun hat weiss ich nicht. Was willst Du denn auf dem Örgelchen mal spielen? Und welche Epoche soll das Instrument wiederspiegeln? Das würde ich mich fragen.



    Bei meinem Clavichord isses eigentlich nur Barock und Renaissance. Da das Instrument sehr obertonreich ist, schreit es förmlich danach, mit fast reinen Terzen gestimmt zu werden, sonst "flattern" die Akkorde -> Meine Temperierung Nr. 1



    Meine Orgel ist eher modern konzipiert, als eine Art Universalinstrument, mit mehr Betonung auf Barock als auf Romantik. Terzen als Aliquote gibt es nicht, wohl aber eine Quintregister, was ja rein gestimmt wird und gut zur Temperierung passen sollte. Ich will sämtliche Epochen spielen können darauf, mit Fokus auf Bach/Mendelssohn und ab und zu auch mal Reger und dergleichen. Daher geht die Stimmung dort richtung wohltemperiert -> Meine Temperierung Nr. 2.



    Ich glaube nicht, dass sich 19tönige Stimmungen mit Bach oder anderen Komponisten in Verbindung bringen lassen. Bei enharmonischen Wechseln in der Musik müsste man die Tasten wechseln oder die Umschaltvorrichtung betätigen, was aber nicht in den Noten steht (schwierig zu spielen). Ich finde das viel zu experimentell. Vielleicht klappts ja mit Frühbarock oder Renaissance, da wurden aber dann die falschen Intervalle einfach weggelassen bei der Musik. D.h. wenn Du wirklich Subsemitonien einbaust, glaubst Du dann die werden jemals richtig benutzt außer zum Experimentieren? Ich würde nur 12 Töne bauen pro Oktave, und die Mitteltönigkeit nutzen, entweder rein oder fast rein mit Kompromissen wie bei meiner Stimmung, wenn Du die reinen Klänge so magst. Man muss auch die anderen Intervalle außer Terz und Quinte in Betracht ziehen. z.B. wird bei der 1/6-Komma-Mitteltönigkeit, auf der meine Stimmung Nr. 1 basiert, der Tritonus fast rein mit Verhältnis 5/7. Das gibt eine ungeheuerliche Harmonie mit verminderten Akkorden, in denen der Tritonus vorkommt. Probiers einfach mal aus, vielleicht wäre das ja was. Oh je, ich schweife wieder ab, sorry...



    Gruß



    Jens

  • Wow, das reine Tritonus gefällt mir sehr.



    Also ich weiss noch nicht was der Fokus meine 2. Karrierenhälfte sein wird. Wenn ich die Umgebung und Bedürfnisse betrachtet, kann ich mich weiter auf ausgearbeitete Gemeindebegleitung und Früh- bis Mitte-romantik, bzw. Symfonik innerlich programmieren (ich habe zwar noch keine Heimat(Kirchen-)orgel, aber hier ist vieles von Walcker). Dein Punkt Umschaltung ist natürlich das Problem Nr. 1 solcher Stimmung. Eine fast gleitende Umschaltung wäre noch zu bauen, aber diese systematisch zu verwenden ist besonders beim üben so eine Sache. Auf einem Computer zur Analyse der gerade gedrückten Tasten möchte ich nicht kommen.



    Jedoch gerade in Verbindung mit meinem 4'-Äqual-Idee sind die beruhigte 3-Klänge im Hausakustik sehr willkommen, auch sicherlich in Franck. Oder ich komme auf Bormann zurück: zuerst ein Portativ mit Subsemitonien. Ich bin am brüten...