Synagogenorgel

  • Hallo!



    Ein Thema, das mich schon länger umtreibt und über das man wenig erfährt. Durch meine Recherchen habe ich schon einige Instrumente und auch geschichtliche Hintergründe kennenlernen dürfen und hautnah in der Dresdener Synagoge die Orgel erlebt (ist dort aber nur eine Elektronenkiste .....).

    Vor kurzem konnte ich auch eine CD mit historischen Aufnahmen des Chores und der Orgel der Synagoge in der Oranienburger Straße zu Berlin erwerben.



    Meine Frage: Wer hat nähere Informationen, also Dispositionssammlungen, Werksverzeichnisse von Orgelbauwerkstätten, Buch- und Audioempfehlungen, vielleicht auch eine Übersicht über nach 1945 neugebaute Instrumente in Synagogen.

    Vielleicht hat sogar jemand von hier Informationen über die Situation der Synagogenorgeln speziell in der Pfalz .....



    Danke einstweilen,



    Patrick Seber

    Nov. SJB

  • Hi Patrick,

    Es gab mal in einem Acta Organologica einen Artikel.

    Neue Orgeln seit 1945 in DE? Wohl kaum. Die jüdische Gemeinschaft verstand das Progrom teilweise als Strafe gegen Verweltlichung, so ungefähr dieses Artikel. Die Orgel war schlechthin Verweltlichung und wurde daher prinzipiell abgelehnt. Die Orgel ist ohnehin nur in Reformsynagogen zu dulden. Allerdings, falls du auf eine Syn. mit gutem Orgel kommst, sags mir bitte unbedingt!

    BTW: Bist du sicher, das ist ein Thread für H A U S - Orgelbau?

    mfG

    Francois

  • Danke für die Antwort!

    In welcher Acta-Organologica-Ausgabe kann man den Artikel finden?



    Ich habe früher schonmal nachgeforscht, mich interessiert das Thema nur seit langem und als Christ sollte man sich mit seiner unmittelbaren Wurzel auskennen ..... jedenfalls ist die Orgel in den Synagogen bereits im 17. Jahrhundert in der Prager Altneuschul nachweisbar, und das 19. Jahrhundert hat das natürlich dankbar aufgegriffen und optimiert.



    Eine nach 1945 gebaute Synagogenorgel steht in der Frankfurter Westendsynagoge; Walcker hat sie in den 50er-Jahren dort errichtet. Ich habe bereits eine Nachricht an das Rabbinat nach Informationen geschickt und warte jetzt noch auf Antwort.



    Grüße,



    Patrick Seber

    Nov. SJB



    P.S.: Warum sollte ich auf diesem Forum nicht dieses ORGEL-Thema besprechen dürfen?

  • Hallo Patrick,



    in Acta Organologica 29 ist ein Artikel "Die liberale Hauptsynagoge in Mannheim und ihre Walcker-Orgel".

    Ein dem Thema "Orgeln und Orgelmusik im Judentum" gewidmetes Heft ist die Ausgabe 1/1999 der Zeitschrift Orgel international.

    Einen einzelnen Artikel mit dem Thema "Zur Frage der synagogalen Orgeldisposition" hat Herman Berlinski in Musik und Kirche 46 (1976) veröffentlicht.



    In der Hoffnung geholfen zu haben grüßt

    Ulrich

  • Hallo Herr Reinhardt!



    Ja, Ihre Hinweise haben mir schon sehr geholfen, vergelts Gott!



    Das Buch von Tina Frühauf (Dissertation) habe ich mir schon vor einigen Tagen aus unserer Pfälzischen Landesbibliothek entliehen, es ist bis auf einige Aufsatzsammlungen von Andor Iszak wirklich das einzige zusammenhängende Werk zu dem Themenkomplex .....

    Ein wenig erforschtes Gebiet.



    Grüße,



    Patrick Seber

    Nov. SJB

  • Lieber Patrick,



    Ich glaube nicht, dass das heutige Judentum mit dem heutigen Christentum viel zu tun hat. Das Thema kenne ich auch ziemlich gut.



    Einerseits hat sich das heutige Judentum um etliches von den Judentums zu der Zeit um Christus entfernt, andererseits hat sich das Christentum erst ab dem 4. Jh. so organisert. Bis dahin waren teilw. heftig Lagerkämpfe, und Constantin hat sehr synkretisch gehandelt (viel Heidnisches, weniger Christliches, das ist auch politisch für damals berechtigt); kurzum, von den Wurzeln auch hier nicht viel.



    Wenn du aber Liturgie-gesch. Forschung machst, wirst du schon einiges in der Schabbat und Passah-GoDis (Hausgottesdienste!)* gemeinsames mit der Messe finden. Das schon. Lasst lieber von gemeinsamen Wurzeln sprechen.



    Kurzum: Unsere Wurzeln findet man in jüdisches HausGoDi.



    Was die Synagogen-Musik und Liturgie des Judentums des 19. und 20. Jh angeht, ist das für uns eine andere Welt, und zwar eine ganz Schöne auch. Nicht nur Lewandowski. Da ist aber eher die Stimme zuhause. Mehr Orgelliteratur gibts in den US, meine Versuche welche zu haufen sind leider bisher gescheitert...



    Google mal nach: synagoge organ sheet music



    Francois



    *Tja warum erwähnt denn Lukas sonst ein Kelch vor und ein nach dem Brot z.B.?

  • Hallo Francois!



    Zu 100 Prozent meine Zustimmung!!!

    DANKE für Deine Ausführungen!!!



    Wenn Du natürlich die Messe ansprichst, so finden wir vor allem im Pessach-Gottesdienst das Tischgebet beim Propheten Jesaja, was wir Christen als Sanctus kennen - bei der Feier des Heiligen Abendmahls.

    Wir erkennen dabei vor allem, daß die Primärsakramente der Kirche, die Taufe und die Eucharistie, nicht von Jesus Christus "frei erfunden" wurden, sondern Umdeutungen und Weiterführungen der Riten des jüdischen Volkes darstellen:

    Pessach - Abendmahl, Ritualbad in der Mikwe - Taufe.



    Nun ja, ein kleiner theologischer Ausflug muß halt wohl auch mal sein ;-))



    Patrick Seber

    Nov. SJB

  • Hi Patrick,

    Im Seder gibt es viel mehr noch mit der Messe gemeinsam, auch in Schabbat-Eröffnung, beide habe ich jahrelang praktiziert und dafür tiefgehend recherchiert. Es waren jedenfalls eben HausGoDis und nicht nur das, ich bezweifle sehr, dass ein Praxis von Instrumenten mehr als absolute Exoten gewesen sind. Denn wenn alle am Tisch sitzen und 15' (Schabbat) bis 45' (Pessach; beide in meiner abgespecktes Form) GoDi feiern gibt es kaum Chance, dass jemand ein Instrument da benützt hat. Bei uns jedenfalls wurde alles mit der Stimme gemacht.

    Allerdings ist das GoDi in der Synagoge sehr stark an das Kabbalat Schabbat angelehnt, sozusagen eine blumige Übertragung für die vielen Seelen.

    Ich bezweifle nicht, dass sehr vereinzelt Orgeln in jüdische Familien gestanden haben können; ob für FamilienGoDis eingesetzt ist m.E. kaum vorstellbar, da jüdische GoDis fast alle am Tisch stattfinden (ausgen. die Pfingstnacht und das Yom-Kippur, indem letztere ohnehin jede Musik schweigen sollte)

    Wenn Synagogen-Orgel wurde das v.a. für Begleitzwecke eingesetzt, aber nun, die Menschheit ist nicht am Ende, vielleicht hat man auf uns gewartet, um das jüdische GoDi mit Orgel zu bereichern :-D

    Francois

  • Da drängt sich mir, Francois, doch sehr die Frage auf, ob Du nicht selbst auch Jude bist, da Du so schön über die Sederfeier berichtest.



    Ich habe bislang noch keine Gelegenheit gehabt, daran teilzunehmen, aber wo auch. Hier in Speyer gibt es nur eine äußerst verschlossene orthodoxe Gemeinde (vor allem Rußlanddeutsche), in meinem Bekanntenkreis gibt es keine Juden ..... woher auch ..... da haben die Nazis schon gründliche Arbeit gemacht - es ist zum Schreien :-((



    Grüße aus der Pfalz,



    Patrick

    Nov. SJB

  • Lieber Patrick,



    Ich bin schon Jude. Paulus definiert die Seelentreue eben als "echte" Jude (sagen wir lieber jüdische Menschen). Ich bin auch evangelisch.



    Also ich war mal Zwangskatholisch, bin dann zu einer Freikirche gewechselt und - da es mir eben eine bewusste und seriöse Entscheidung war, habe mich weiter dokumentiert. Da ich auch gründlich bin, wollte ich da und dort die Liturgie in ihre Wurzeln verstehen, so bin ich in meiner Forschung zu der Judentum der Zeit Christi angelangt. Ich fand auch die Liturgik-Vorlesungen in der Hochschule für KiMu etwas zu wenig zu dieser Zeit, hab mir ein paar Bücher mehr angeschafft. Was mir dann in dieser Freikirche zur Dozent einer Weile gebracht hat! Und dafür müsste ich noch tiefgründiger in den Jh. um Christus forschen (denn freikirchliche Theologer haben v.a. Interesse an das Biblisches, kaum an das Kirchenhistorisches, LEIDER)



    Dadurch war mir selbstverständlich (ich bin in eine Umfeld von Chemie und Physik-Forscher aufgewachsen) einiges auszuprobieren, und zwar mehr als ein paar mal, also Erev-Schabbat und Seder. Et voila. Übrigens haben diese Theologiestudenten meine Theorien ziemlich genossen.



    Nun zum Thema, ergänzend: Freikirche und Orgeln sind definitiv nicht kompatibel*! Freikirchler können mir alles anderes erzählen, um ihre theologische Vorliebe weiss zu machen. Aber Freikirchen haben so gut wie keine Interesse für gewachsene substanz und gelebte Glaube von Anderen**.



    Die meisten Organisten und Orgelliebhaber dort gehen "fremd" oder eben ziehen sich entweder in Hausorgelbereich oder vorwiegend in Frustbereich.



    *Vieles ist mit Freikirchen nicht kompatibel, bis auf ein paar Ausnahms-Freikirchen, die evangelischer sein wollen als die Landeskirche z.B. oder eben die NAK, abeeer...

    **Was umgekehrt genau ein sehr wichtige Pluspunkt (aus meiner Sicht) der EKD darstellt: Respekt vor der Vergangenheit

  • Hallo Francois!



    Mittlerweile bin ich auch schon zu meiner Erkenntnis gekommen, ein "Jude" zu sein, wie Du es ganz trefflich erklärt hast. Konfessionell gehöre ich zur Evangelischen Landeskirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche), bin allerdings innerhalb dieser stark reformiert geprägten Landeskirche lutherischer Hochkirchler und seit September Novize einer Bruderschaft.



    Du bist ja Franzose, nicht?

    Gehörst Du da zur reformierten oder zur lutherischen Kirche?



    Vielleicht könnten wir ja mal privat mailen, um das hiesige Orgelforum nicht für die Theologie zu "mißbrauchen" ;-)



    Grüße in den Advent,



    Patrick

    Nov. SJB

  • Hi Patrick,

    das wird noch interessanter (wenn auch eben nicht sehr Orgelig)!

    Also ich bin in NRW, d.h. zw. uniert und reformiert. Mein erste Kontakt mit der evang. Ki. hatte ich in Baden, also uniert. Ich finde aber auch das anglikanisches oder lutherisches besser.



    Das Schritt zur Bruderschaft habe ich schon mal in Erwägung genommen, aber wie das so ist, wenig Berührungsmöglichkeiten, was anders zu tun...



    Ja wir können gerne privat mailen, ich schicke dir ausserdem eine Einladung zu einem Business-Netzwerk (xing) vielleicht hast du dein Spass auch dadrin.



    Francois

  • Sodele - und hier mal wieder was zum eigentlichen Thema



    In Ungarn habe ich in Pecs (Fünfkirchen) eine Synagogenorgel gesehen. Vielleicht habe ich auch noch ein Foto von ihr. Im Netz habe ich zu ihr gefunden : "Darüber sind der Chor und die Orgel, wobei hierzulande letztere ein Instrument von industriehistorischem Wert ist. Mit ihrem Bau wurde József Angster, der Leiter der damals gegründeten Angster Orgelfabrik beauftragt. Diese Orgel war das erste Kunstwerk der Fabrik, das im März des Jahres 1869 fertig gebaut war und dem jungen Meister einen riesigen Erfolg brachte." gefunden bei: http://de.pecs.hu/cikk/0830/66…80725_pecs_templom_19.htm