Aliquote

  • Über den Wert von Aliquoten und gemischten Stimmen bei Positiven/Hausorgeln bestehen geteilte Meinungen.



    Die einen finden höhere Lagen als den 2' für überflüssig (manche sogar schon diesen). Vielleicht rühren die schlechten Erfahrungen damit da her, daß die hohen Stimmen meist zu weit mensuriert und zu laut intoniert sind. Und daß bei dem gegenwärtigen "sinfonischen" Modetrend hohe Stimmen in der Tat überflüssig sind.



    Aber es gibt doch auch vor-romantische Musik, die für Positive sogar besser geeignet ist. Und alt-italienische und steile nord-frühbarocke Vorbilder mit der passenden Literatur dazu.



    Ich als Nur-Amateur-Orgelbauer (nur autodidaktischer Improvisations-Spieler) finde die hohen Stimmen durchaus brauchbar:



    1. Voraussetzung ist eine eher enge Mensur/schmale Labiierung und zurückhaltende Intonation (Salizional oder Einzelreihe aus einer Harmonia Ätherea: 2 2/3', 2', 1 3/5', 1 1/3', 1 1/7', 1', 8/9', 1-chörige Zimbelpfeife), unter Mit-Verwendung von Gedackten, Spitzgedackten, Koppelflöten, Rohrgedackten (2 2/3', 2'), sowie konischen Registern (2 2/3', 2', 1 3/5', 1 1/3', 1'). Bei einer größeren Hausorgel eventuell auch eine gedackte Diskant-Terz 3 1/5' (ohne 16' und 5 1/3')



    2. Wenn diese Register in einem Schweller stehen - umso besser. Noch besser wäre es, jedes Aliquot-Register oder Gruppen getrennt schwellbar zu machen (solche Vorschläge für Großorgeln gab es schon 1939), ist durchaus machbar, aber großer Aufwand: Jedes Aliquotregister steht in einem eigenen kleinen Kasten. Die (mechanischen) Registerzüge betätigen dann zugleich stufenlos 1 Schwellerklappe über der jeweiligen Pfeifenreihe. Ähnlich der elektronischen Zugriegellösung bei Hammond-Orgeln der 70er Jahre.



    3. Sie werden meist nur in der Diskanthälfte benötigt, das bedeutet nur 3/5 des Pfeifenbau-Aufwandes und nur 1/3 des Materials eines Vollregisters. Zudem ist in der Diskanthälfte der Lade meist sowieso noch Platz.



    4. 3 - 5 solcher Aliquotregister bereichern die Klangfärbe-Kombinationen in Verbindung mit den 8'- und 4'-Registern um über das 10-fache, interessant bei Literaturstücken mit mehreren Variationen.



    5. Der Windverbrauch ist nur geringfügig höher, ein Tutti ist nicht primär Sinn der Sache.



    6. Bei Nicht-gefallen einer Pfeifenreihe ist diese schnell in eine andere Lage umsteckbar. Es lassen sich auch schnell Experimente mit höheren Aliquoten (2 2/7', 1 7/9', 1 5/11', 1 3/13', Mollterz usw.) machen. Man benötigt dann höchstens die tiefsten 2 - 3 zusätzlichen Pfeifen, der Rest lässt sich durch geringfügiges Verändern des Stimmbleches in die neue Lage stimmen. Für den Laien ist das Stimmen solcher entfernter Lagen allerdings schwierig. Ich kannte einen Orgelbaumeister, der seinen 8/13' nach Gehör stimmte, das vorhandene elektronische Stimmgerät verwandte er bewußt nicht.



    7. Ob beim Bau einer Zimbel die 2-Chörigkeit klangverschmelzende Vorteile (laut Bormann) hat, kann ich nicht beurteilen. Mehr Möglichkeiten hat man bei 2 getrennten Chören (aufgeteilt in Zimbeloktav und Zimbelquinte, oder Zimbelokatv und Zimbelterz, beide Paare repetierend, bzw. Zimbeloktav und Zimbelpfeife - letztere oftmals, auch in abgelegenere Lagen repetierend).



    8. Zu berücksichtigen ist, daß kleine Pfeifen zum Ansprechen einen gewissen Mindest-Winddruck benötigen.

    Kleine Holz-Pfeifen mit 3,5 cm Länge = ( c5 ) in Normal-Mensur ( = 7 mm ) sprechen bei 40 mmWS gerade noch an, sind dann aber sehr laut. Bei einem Durchmesser von 4 mm noch bei 30 mmWS, bei 2,5 mm Durchmesser bei 25 mmWS.



    9. Die Mensuren bei den offenen Holz-Aliquoten sollte man so eng nehmen, daß bei den kleinsten noch herstellbaren Pfeifen ( g6 = 12 mm ) eine Pfeifentiefe = Labiumbreite von 2,5 mm erreicht wird. Meist ist es klanglich aber sinnvoller, schon früher zu repetieren. Die kleinen Pfeifen unter 3,5 cm Länge sollte man quadratisch bauen, bei schmalerer Labiierung sind zu hohe Aufschnitte erforderlich, die das Stimmen und die Stimmhaltung erschweren.

  • Auch wenn es mir erscheint, noch Lichtjahre von der Notwendigkeit entfernt zu sein, mich mit dem Thema "Aliquote" für die Hausorgel zu befassen, möchte ich mich doch für diesen ausführlichen Bericht bei dem Reinhold bedanken; im Bereich der Kirchenorgel ist mein Empfinden für Aliquote zwiespältig: Während ich sie zumindest für manche Literaturstücke durchaus als Bereicherung empfinde, gehen sie mir schon am nächsten Tag stark auf die Nerven...



    Herzliche Grüße,

    Wolfgang.