Neues Orgelprojekt zur Diskussion

  • Hallo alle zusammen,



    ich plane in der nächsten Zeit eine kleine Hausorgel zu bauen und würde euch gerne einmal mein "Projekt" vorstellen und würde mich freuen, wenn ich den einen oder andere Verbesserungsvorschlag oder Tipp von euch bekommen, da ich selber noch keine praktische Erfahrung auf diesem Gebiet habe.



    Also, ich plane die meisten Teile, wie z.B. Windladen, Pfeifen etc. nach Boersma ( Bau eines Orgelpositives) zu gestalten. Gehäuse möchte ich wahrscheinlich nicht so altmodisch, mit kleinen Engelchen im Prospekt sondern eher modern gestalten.



    Hier ein Beispiel der neuen Orgel in Sankt Peter in Köln : http://www.orgelbau-peter.de/html/hauptorgel_bilder.html



    die Disposition soll wie folgt aussehen:



    Gamba 8' nach boersma

    Gedackt 8' nach boersma

    Prinzipal 4' nach boersma

    Rohrflöte 4' nach boersma

    Oktave 2' nach boersma



    evtl. Pedal Subbass 16'

    oder wie bei Herrn Reinhart Prinzipal 8'



    alle Manualregister sollen mit einer Wechselschleife auf 2 Manualen spielbar sein und an das Pedal gekoppelt werden können.



    Meine Fragen:



    - wie baut man eine Pedalkoppel?

    - wird die Windlade doppelt so breit, wie sie in boersmas buch beschrieben ist, wenn man eine Wechselschleife plant ?

    - wie bekommt man es hin, 2 Trakturen für das erste und das zweite Manual, an die untereinander andeordneten 1. und 2. Manuale "anzuschließen" ?

    - wenn ich ein Pedal baue, müsste ich dann die Manuale weiter vorziehen, damit man mit den Füßen genug Platz hat? ( in boersmas Positiven sieht dass immer etwas eng aus)



    Ach ja und sollte ich wenn ich anfange erst mit dem Gehäuse und der Windlade etc. anfangen oder zuerst die Pfeifen bauen?



    Ich würde mich sehr über Antworten freuen.



    Viele Grüße und Dank im Vorraus



    Christoph Reinold


  • Hallo!



    Die Disposition gefällt mir persönlich sehr gut, auch wenn ich Aliquote mag, aber das ist Geschmackssache.



    Zu der Pedalkoppel: Ohne Schleichwerbung machen zu wollen würde ich auf die Zeichnungen in den Katalogen von Laukhuff verweisen (http://www.laukhuff.de/). Dort sieht man ziemlich gut verschiedene Bauweisen von Pedalkoppeln.



    Zu den Platzverhältnissen: Es gibt Normen (z.B. BDO), die man versuchen sollte einzuhalten, auch wenn das bei unseren Instrumenten teilweise nicht ganz möglich sein wird. Die meisten Maße kann man auch hier in den o.g. Katalogen finden.



    Zu der Reihenfolge der Bauabschnitte: Ich würde sagen, das hängt von Ihrer Erfahrung ab. Ich habe mit den Sachen angefangen, mit denen ich am wenigsten Erfahrung habe (in meinem Fall war das eine Diskant-Windlade), um nicht irgendwann an einer Stelle hängenzubleiben.



    Viele Grüße,

    Peter


  • Hallo Christoph,



    - wird die Windlade doppelt so breit, wie sie in boersmas buch beschrieben ist, wenn man eine Wechselschleife plant ?



    Die Windlade wird tatsächlich recht breit, da für jeden Ton zwei nebeneinanderliegende Ventile Platz brauchen. Im Bassbereich bestimmt eher die Pfeifengröße den Platzbedarf auf der Lade (falls nicht abkonduktiert), im Diskantbereich sind es die Ventile.





    Ach ja und sollte ich wenn ich anfange erst mit dem Gehäuse und der Windlade etc. anfangen oder zuerst die Pfeifen bauen?





    Wenn Du noch gar keine Pfeifen gebaut hast, dann würde ich den "klassischen" Weg gehen: kleine Intonierlade bauen, verschiedene Probepfeifen bauen, Orgel bauen.



    Intonierlade bauen zum Kennenlernen der grundsätzlichen Ladenproblematiken



    Probepfeifen bauen zum Kennenlernen der grundsätzlichen Pfeifenbauprobleme





    Viel Erfolg



    Ulrich Reinhardt

  • Hallo Chris Reinold,



    als altes (häslein, seit 20 Jahren spiele ich auf meiner Orgel) einige kurze Anregungen. Vergiss die große Orgel und baue zuerst eine kleine. 1 Windlade mit Pfeifenlöcher für 1x8`,1x4`1x2` mit 1 Manual. Wenn Du einige Pfeifen machst und diese mit dem Mund anbläst, was man nicht soll - aber alle tuns, kannst Du gleich mit der Orgel anfangen, weil die Intonierlade fast die Hälfte Zeit braucht, wie die eigentliche Orgel. Den Rest Pfeifen kannst Du dann auf der Orgel intonieren. Meine E-Mail: Jo.Igel@t-online.de, mein Tel. o7527-4194. Ich würde gerne weitere Anregungen und Zeichnungen geben.



    Josef Igel

  • Hallo Chris,

    ich schließe mich dem Josef Igel an und rate Dir ebenfalls zu einem kleinen Instrument. Wir haben damals mit einem 8Fuss auf durchgebohrter Lade angefangen. Irgendwann wurde dann zusammengebaut und probiert. Es waren so viele Sachen mangelhaft, und meistens da, wo man es nicht erwartet hatte. Es war sehr lehrreich, die einzelnen Mängel zu beheben, wir haben Pfeifen ausgetauscht, Ventile abgedichtet u.s.w. Man lernt daraus so viel, dass der Plan für die zweite (größere?) Orgel von allein im Kopf wächst.



    Schon einen veritablen 8 Fuss zu bauen, braucht Zeit und bringt auch Verzweiflungen mit sich. Gut, wenn man dann das Ziel in nicht zu weiter Ferne hat. Viel Glück !

  • Hallo,



    erst einmal vielen Dank für die schnellen und hilfreichen Antworten.

    Ich denke auch, dass es besser ist mit einer recht kleinen Orgel anzufangen, jedoch möchte ich die Windlade und die Orgel selbst so vorbereiten, dass sie immer noch erweiterungsfähig bleibt. Da ich in meiner Bekanntschaft einen pensionierten Orgelbauer habe, denke ich, dass ich mit seiner Unterstützung die einzelnen Teile so gut hinbekomme, dass sie schon beim ersten Versuch gelingen. ( in meiner Situation als Schüler ist Geld ja leider immer knapp).



    Ach ja, ehm und hat vielleicht jemand Erfahrung mit den Boersma Mensuren Gedackt 8' Prinzipal 4' (Rohrflöte 4') Oktave 2' und ( Gamba 8')?



    Weil wenn die Register nachher zu laut oder eher zu leise sind, ist es ja nicht sehr gut, bei der ganzen Arbeit.



    Naja, vielen Dank für eure Antworten und eine gute Woche.



    Christoph Reinold

  • Bemerkenswert finde ich die Empfehlung, die "Reihenfolge der Bauabschnitte" in Abhängigkeit der Erfahrungen festzulegen, und es zeugt von großer Disziplin, mit den schwierigen Dingen zu beginnen, anstatt mit jenen, die einem zunächst die größte Freude bereiten!



    Freilich besteht die grundsätzliche Schwierigkeit, am Beginn gar nicht so sicher zu wissen, welche Teile des Orgelbaus bei ihrer Herstellung die größten Schwierigkeiten verursachen werden, so daß der alte Rat auch für den Hausorgelbau wohl weiter seine Berechtigung hat, "in Richtung des Windes" zu arbeiten: Balg, Lade, Pfeifen, wobei noch zu entscheiden wäre, wann die Mechanik zu erstellen sei.



    So wie das Wort am Anfang der Schöpfung war, so ist der Wind der Anfang der Orgel, damit kann die Lade auf Funktion, vor allem aber auch auf Dichtigkeit geprüft werden, weiters Mechanik und Pfeifen, schließlich die Vollendung des Gehäuses; diese Reihenfolge übt zudem m.E. einen enormen psychologischen Effekt des Ansporns aus, immer weiter in Richtung zum klanglichen Ende zu arbeiten, denn wenn erst einmal die ersten Pfeifen erklingen, die ersten Oktaven spielbar werden, wird man nicht mehr ruhen, bis zumindest ein Register vollständig ertönt!



    Unabhängig davon halte ich es für wichtig, bereits von Anbeginn an genau zu wissen, wie man die vielfältigen Bestandteile fertigen will; ich weiß jetzt nicht, wie eingehend das Boersma-Buch Erläuterungen liefert, das Bormann-Buch, bei aller Hochachtung, dem ich dem Altmeister des Hausorgelbaus zolle, stellte mich vor viele Rätsel, so daß ich viele Dinge nach eigenem Gutdünken zu erstellen trachtete und dabei teilweise heftig Lehrgeld zahlen mußte, beispielsweise ist mir bis heute schleierhaft, wie man die Bleipulpeten selber gießen kann, aber auch Bormanns Balg-Bau-Pläne bringen mich in Verlegenheit, was ich freilich gänzlich auf mein mangelhaftes Vorstellungsvermögen zurückführe.

    Neulich zeigte mir ein benachbarter Hausorgelbauer sein filigranes Koppelwerk, welches er in liebevoller Hingabe seit vielen Wochen und Monaten erstellt, mit dem Ergebnis, daß ich mir wohl nie eine solchermaßen verwickelte Mechanik anzufertigen zutrauen werde - auch die vorgeschlagenen Wechselschleifen bleiben für mich so weit weg wie der Mond, denn wenn ich überhaupt wieder einmal ein größeres Werk in Angriff nehmen werde, dann möchte ich auch während der Lebenszeit damit fertig werden und nehme dann wohl getrost in Kauf, nicht nach Herzenslust koppeln zu können...



    Nun denn, wie auch immer, freue ich mich, daß wieder ein junger Freund der Hausorgel sich dazu entschlossen hat, sich ein Instrument zu bauen und so wünsche ich alles Gute bei Planung und Durchführung,

    Wolfgang.

  • Hallo Christoph,



    grundsaetzlich wuerde ich auch wieder zuerst mit der Luftversorgung beginnen und dann den Gehaeuserahmen mit der Mechanik bauen, bevor ich an die Pfeifen gehen wuerde. Allerdings waere bei mir bei einem neuen Projekt am Anfang schon sehr klar, wie das Endergebnis ausehen soll. Und da genau liegt ein Problem das einige Hausorgelbauer erleiden: irgendwo passt etwas nicht zusammen und es gibt zeitaufwendige Korrekturen. Mir ging es genauso schon oefters. Ein Beispiel: Ich habe fuer mein Opus 2 (http://www.hausorgel.de) die Hebeluebersetzung in der Mechanik neu gebaut, da sie mir nicht gefiel. Da halte ich es wie Cavaille-Coll, der angeblich auch lieber solange die Gesellen neu bauen liess, bis alles passte. Meine Tasten waren anfangs zu schwergaengig (ca. 200 g Tastengewicht), inzwischen sind es etwa 70 g. Natuerlich musste ich dafuer eine Balance finden zwischen Tastenfall und Ventilaufgang. Wichtig ist hierbei die Verbiegung belasteter Teile wie zum Beispiel die Auflage von zweiarmigen Tasten. Wie ich finde ein eindeutiger Nachteil zweiarmiger Konstruktionen im Vergleich mit der direkten Haengenden Traktur. Um solche Zusammenhaenge herauszufinden reicht der Bau einer 1:1-Mechanik von einer Taste, also ein Ausschnitt durch die Orgel. Mit vertretbarem Aufwand wird in Originalgroesse die "Orgel" aufgebaut. Man kann das Modell auch spaeter dekorativ im Orgelzimmer Besuchern zeigen, sofern es (hoffentlich) gelungen ist.



    Bei meinem Opus 2 hatte ich die Orgel von den Pfeifen nach aussen zum Gehaeuse und wieder zurueck geplant. Zuerst auf dem Papier 1:10. Dann baute ich ein Modell 1:10. Danach zeichnete ich Plaene 1:1 von wichtigen Stellen. Also der Windlade, der ganzen Mechanik, allen Hebel und jeden Registerzug. Danach plante ich das Gehaeuse drumherum und jetzt kam ein wichtiger Schritt fuer mich: ich korrigierte die inneren Teile so, dass sie wieder ins Gehaeuse passten. Diese Iterationsschritte Gehaueseplanung <-> Innenlebengestaltung wiederholte ich sooft, bis ich mir sicher war damit zurecht zu kommen. Ich wollte eine Orgel entwickeln, die auch optisch ansprechend ist und die kompakt aufgebaut war. Wenn ich zuerst das Innere gebaut haette, dann das Gehauese, waere ich vermutlich mit einem breiten und unfoermigen Gehaeusekasten herausgekommen. Diese Gestaltungsphase brauchte reichlich ein halbes Jahr.



    Nach Baubeginn bekam ich trotzdem Problem, denn ich hatte Kollisionen zu beseitigen. Zum Teil war es nur eine Pfeifenbefestigung, die ueberstand, ein anderes Mal aber auch der Windladeneinbau in ein fertiges Gehaeuse. Heute passt alles, aber ich habe auch ueber 3500 Stunden netto gebaut. Hast Du soviel Zeit? Mithilfe der heutigen Erfahrungen und einem CAD-Programm kaeme ich wahrscheinlich deutlich schneller an das gleiche Ergebnis. Ich kann Dir nur raten es mir kleineren Schritten zu probieren: ein Portativ mit Balg und wenigen Pfeifen, auch ein Mechanikmodell 1:1 von der zukuenftigen Orgel zur Pruefung der Mechanik, vielleicht eine Truhenorgel mit nur einem Register. Plane die dreifache Zeit ein von dem was Du meinst zu brauchen und Du kommst gerade hin. So ging es zumindest mir.



    In der Hoffnung Deine Entscheidung zum Orgelbau bestaerken zu koennen gruesst Dich



    Thomas Reinhardt