Holzpfeifen

  • Vor 35 Jahren machte ich mit dem Bau von Holzpfeifen für ein Positiv folgende

    Erfahrungen:



    Fichte (mit wenig Ästen) ist für Pfeifen von 120 bis 6 cm gut geeignet,

    dabei relativ billig, so dass ein Abfall von 30% wegen der Äste nicht so

    sehr ins Gewicht fällt, aber das Material "arbeitet", so dass die Stöpsel von

    Gedackten undicht werden können.

    Pfeifen aus Sperrholz in dieser Länge sind form-stabiler, klingen aber

    etwas weicher und undeutlicher, so dass helle Streicher kaum möglich sind.

    Dünne Hartholz-Bretter sind schwierig zu erhalten und dann teuer.

    Wenn Sperrholz, dann möglichst hartes: Birke oder Buche, aber schöner

    ist auf jeden Fall Massivholz.

    Pfeifen unter 6 cm habe ich aus Buchenholz mit der Kreissäge gefräst.

    Auch (ausländische) Hartholz-Leisten aus dem Baumarkt sind denkbar.

    Ideal ist/wäre es, wenn man eine kleine gute Hobelmaschine hat, um dünne

    Bretter zwischen 10 und 3 mm in den gewünschten Stärken selbst zu hobeln.

    Mir scheint es, dass zur Oberflächenglättung/Holz- und Leimfugen-Dichtheit

    in Lack getauchte Pfeifen klarer klingen und das Holz wegen der damit

    verbundenen Teil-Versiegelung weniger "arbeitet". Ferner ist dadurch ein

    Entstauben leichter möglich.



    Beispiele für gebaute Pfeifen:



    Viola / Violprinzipal 4' im Diskant Taste c1: Länge 29 cm,

    Tiefe 17 mm, Labium 17 mm (also quadratisch).

    entspricht Normalmensur minus 15 Halbtöne,

    Weiten-/Längenverhältnis 1 : 17

    Material Fichte, Wandstärke 3,5 mm

    etwas schwierig zu intonieren / egalisieren

    deutlich streichend



    Waldflöte 2' (konisch) im Diskant Taste c1: Länge 12 cm,

    Tiefe am Labium 12 mm, Tiefe an der Mündung 12 mm,

    Labium-Breite 12 mm, Breite oben 4 mm

    entspricht Normalmensur minus 11 Halbtöne

    Weiten-/Längenverhältnis 1 : 12

    Material Fichte, Wandstärke 3 mm

    niedriger Aufschnitt

    leicht zu intonieren

    heller leicht nasaler Ton ähnlich einer Blockflöte



    Zimbel 1' im Diskant Taste c2: Länge ca. 3,5 cm,

    Tiefe 3 mm, Labium 3 mm

    entspricht Normalmensur minus 19 Halbtöne

    Weiten-/Längenverhältnis 1 : 12

    Material Buche, gefräst aus einer Leiste von 8 x 10 mm

    Kern aus Kunststoff, hoher Aufschnitt

    leicht zu intonieren, mangelhafte Stimmhaltung



    Musiziergedackt 8' im Diskant Taste c3: Länge 6 cm,

    Tiefe 24 mm, Labium 12 mm,

    entspricht Normalmensur plus 9 Halbtöne (sehr weit),

    Weiten-/Längenverhältnis 1 : 3,5

    Material Pappel-Sperrholz (zu weich), Wandstärke 3 mm

    leicht zu intonieren,

    etwas schwierig zu stimmen, Ton "zieht bei".



    Weidenpfeife 8' im Diskant Taste c1: Länge 58 cm,

    Tiefe 28 mm, Labium 20 mm,

    entspricht Normalmensur minus 19 Halbtöne,

    Weiten-/Längenverhältnis 1 : 24

    Material Zeder-Sperrholz (zu weich), Wandstärke 4 mm

    bei dieser Mensur / diesem Material war es nicht möglich,

    einen klaren Streicher- bzw. Prinzipal-Ton zu intonieren.

    Damit die Pfeife nicht überbläst, musste der Aufschnitt

    dementsprechend höher genommen werden, aber dadurch

    entstand ein mehr flötiger Ton mit Anblasgeräusch.

    Accordisch gespielt klingt die Reihe aber schon

    wie ein schwaches "Holz-Viol-Flöten-Prinzipal".



    Gemsgambe 8' im Diskant Taste c1: Länge 54 cm,

    Tiefe am Labium 40 mm, Tiefe an der Mündung 40 mm.

    Breite am Labium 24 mm, Breite oben 12 mm,

    entspricht Normalmensur minus 13 Halbtöne,

    Weiten-/Längenverhältnis 1 : 18

    Material Fichte, Wandstärke 4 mm

    Trotz erforderlichem hohem Aufschnitt ist ein nasal-singender

    Ton zwischen Gambe und Gemshorn zu vernehmen.



    Alle obigen Pfeifen sind auf offenem Fuß bei 35 mmWS intoniert

  • Hallo R.S.



    sehr ins Gewicht fällt, aber das Material "arbeitet", so dass die Stöpsel von

    Gedackten undicht werden können.





    Wenn die Einzelteile annähernd stehende Jahre haben,



    der Spund aber diagonal mit ca.45° laufenden Jahresringen aus dem Holz geschnitten wird,



    Dann ergibt sich für den Grundkörper ca. 5% in Länge und Breite.



    (Jeweils Schwundverhalten quer zur Faser)



    Der Stöpsel schwindet in Faserrichtung um 10%, also verteilt sich der Schwund auf Länge und Breite es Spundes.



    So dürfte die Belederung das Schwundverhalten leicht abfangen können.





    Johannes

  • Servus Johannes,

    danke für Deinen Tipp mit den diagonal herauszusägenden Spundbrettchen, in der Tat ist die Spundherstellerei für mich ein ziemliches Ärgernis, ständig sehe ich mit den beiden Extremfällen konfrontiert, zu eng oder zu weit...





    Vielen Dank auch für den Erfahrungsbericht der Pfeifenherstellung mit den genauen Abmessungen, ich fände es schön, wenn Sie Ihren Namen nennen würden, ich möchte Sie eigentlich ungern mit R.S. ansprechen; m. E. befinden wir uns hier in einer seriösen Gemeinschaft von Hausorgelfreunden und nicht auf einem Spaßforum mit Pseudonymen, und ein jeder hier wird wohl den Anstand aufbringen, den Beitragschreibenden mit kollegialem Respekt zu begegnen unter weitgehender Wahrung der Privatsphäre.



    Für meine Person, nicht verallgemeinert!, würde ich mich indes über Besuche freuen, auch wenn ich hier in Erlangen noch nicht viel sehens- und hörenswertes bieten kann,



    Wolfgang Spitz

  • Lieber Wolfgang - und alle anderen Hausorgelfreunde,



    Mein Namenskürzel R.S. bedeuten Reinhold Schafroth,

    aus 86944 Unterdiessen (Landkreis Landsberg am Lech).

    Ich bin 60, in Rente, war als Industriekaufmann in der

    Textil-Modebranche tätig (mit Hartz-IV-Erfahrung) und

    beschäftige mich seit dem 15. Lebensjahr mit Orgelbau.

    Viele Jahre (und teilweise heute noch) war ich Dauerkunde

    in verschiedenen Stadtbüchereien wegen Fernleihe/Orgelbau-

    Literatur und habe somit den größten Teil der erreichbaren

    Literatur "konsumiert" ,sammelte alle verfügbaren Dispositionen

    und habe bestimmt schon einige tausend entworfen, verbessert,

    verworfen . . .



    In den 1960er/70er-Jahren bastelte ich eine größere Anzahl

    Probepfeifen, baute ein Portativ zu 90% fertig und ein Positiv

    zu 20%. Zwischen 1982 und 2002 dann ein Positiv mit

    6 Register Bass + 13 Register Diskant + 2 Zimbelglockenspiele

    (alles praktisch ohne Vorlagen entworfen, berechnet, ausprobiert

    und zu 100% fertig, aber ich nehme immer wieder kleine

    Veränderungen vor). Vieles über (Haus-)Orgelbau lernte ich erst

    beim praktischen bauen (learning by doing), vor allem aus den

    Fehlern. Als "sparsamer" Schwabe war ich immer sehr bedacht,

    die Kosten gering zu halten, möglichst viel praktisch kostenloses

    Recycling-Material (alte Möbel, Naturholz aus Garten und Wald,

    Entsorgungsmaterial aus Büro und Firma) zu verarbeiten.



    Ich kann nicht Orgel-spielen !

    (außer ein bisschen für meinen Hausgebrauch).



    Natürlich interessiere ich mich für Orgelmusik (Schallplatten aus

    den 1970- und 80er Jahren, CD's) und besuche einigermaßen

    regelmäßig Orgelkonzerte, die ich (für mich) benote.



    Die generelle Wende zur sinfonischen Orgel bekam ich die

    ersten Jahre gar nicht mit, wunderte mich nur über das Fehlen

    von höherliegenden Registern (schade) und den Wieder-Einzug der

    früher verpönten Streicher (gut) und Oktavkoppeln.

    Wünschen würde ich mir jetzt noch den vermehrten Bau von weit-

    mensurierten 32'-Pedalregistern. Die Rockmusik (Disco, open-Air)

    trägt dem Wunsch (nicht nur der jungen Leute) nach abgrundtiefem

    Bass seit Jahrzehnten Rechnung. Wie "dünn" klangen doch die Hits

    bis 1960 mangels technischer Bass-Möglichkeiten.

  • Herzlichen Dank für den ausführlichen Orgelbau-Lebensbericht, lieber Reinhold, vor allem hat mich das fasziniert:



    "Zwischen 1982 und 2002 dann ein Positiv mit

    6 Register Bass + 13 Register Diskant + 2 Zimbelglockenspiele

    (alles praktisch ohne Vorlagen entworfen, berechnet, ausprobiert

    und zu 100% fertig, aber ich nehme immer wieder kleine

    Veränderungen vor). "




    Das ist doch allerhand, und vor allem, wenn ich richtig zwischen den Zeilen lese, bereitet es wohl immer noch Freude, an der selbstgebauten Orgel Hand anzulegen, aber auch die Orgelbaulandschaft überhaupt weiterhin im Auge zu behalten.



    Die 70-er Jahre, im Rückblick, meine Erinnerung in der Abgeschiedenheit meiner Ostoberpfälzer Heimat, vielleicht diese, daß das Gezischel der pneumatischen Spieltische seine profane Fortsetzung im Zischen der Dampflokomotiven fand, richtig modern war dann der Ersatz der Röhrenpneumatik durch neue elektrische Spieltische, wobei die ursprünglichen Kegelladen ansich unberührt blieben; einmal kam ein junger Lehrer aus München, der meinte, daß man jetzt wieder rein mechanische Spieltrakturen bauen würde, die unteren Tasten seien jetzt schwarz und umgekehrt die oberen weiß, wir konnten das damals gar nicht recht glauben...



    -----------------

    Ein Hausorgelbauer in Erlangen, in der Tat sah ich die nächstgelegenen Forumteilnehmer bisher mehrere Fahrstunden weit entfernt, erstaunlicherweise verkürzt sich die Distanz schlagartig auf Fußgängerentfernung,



    es grüßt Euch in österlicher Vorfreude

    Wolfgang

  • Folgend auf Deinen Beitrag, lieber Wolfgang, möchte ich den Erbauer dieses wohl kurios anmutenden Instruments ("6 Register im Baß, 13 im Diskant") höflichst bitten, die Disposition desselbigen herauszugeben, damit wir einmal eine Vorstellung über die Dimensionen bekommen können!

  • Auf Wunsch kurz die "kuriose" Disposition:



    Mein Positiv bzw. meine Hausorgel habe ich in "Die Hausorgel - Heft 14 / 2003"

    umfangreich beschrieben. Eventuell stimmen einige Mensur-Werte nicht.

    In der nächsten Zeit habe ich einige Intonations-Änderungen/Angleichungen vor.



    Wohlgemerkt: Dieses Positiv soll nicht dem gehobenen Literaturspiel dienen,

    sondern eines sehr Klangfarben-mischungsfähigen Improvisationsspiels

    (für mich ungelernten Organisten).



    Im Vordergrund stand die bastlerisch-tüftlerische Tätigkeit bei sparsamem Materialeinsatz

    in schwäbisch-alpenländischer Tradition.



    Bass (C-bo)



    Coppel 8' (C-H)

    Pommer 8' (co-bo)

    Flötpommer 4' (ged.)

    Flötgedeckt 2'

    Hohlquint 1 1/3' (ged.)

    Schwiegel 1' (offen)

    Oktävlein 1/2'



    Diskant ho-d3



    Gedackt 8'

    Weidenpfeife 8' (offen, eng)

    Unda maris 8' (Zug für Winddrosslung schweb. Weidenpfeife)

    Flauto 4' (ged.)

    Violetta 4' (offen, eng)

    Maienflöte 4' (baue ich in Kürze zu Quintviola/Quintade 8' um)

    Nasat 2 2/3' (konisch offen)

    Prinzipal 2'

    Kleinpommer 2' (ged.)

    Terz 1 3/5' (eng > weit)

    Larigot 1 1/3'

    Glöcklein 1' (weit)

    Zimbel 1-fach (eng 2/3' > 1' > 1 1/3' > 2' )

    Corona (beginnend mit 2/5' ... ungestimmt vielmals repetierend )



    Spielregister



    Alm (in der Art eines Zimbelsterns, Metallröhrchen tief)

    Glockenspiel (in der Art eines Zimbelsterns, Metallröhrchen hoch)

  • Das klingt mehr als interessant! Mit meiner Hausorgel und ihren drei Registern kann ich da wohl nicht mithalten, aber ich freue mich doch über solch klangexperimentelle Instrumente, besonders heutzutage, wo überall diese symphonischen Standartorgeln herumstehen, die sehr "brav" disponiert sind. Übrigens improvisiere auch ich mit Vorliebe, wofür mein Instrument auch wunderbar geeignet sein wird, wenn es fertig ist: Es verfügt lediglich über einen Tonumfang von drei Oktaven (F-f²) und pneumatische Traktur, den Wind muß der Organist mittels zweier Fußschöpfer selbst treten.

  • Lieber Reinhold,

    Deinen Orgellebenslauf habe ich mit Interesse gelesen, zumal ich mich in vielen Punkten wiederfinde. Herzlichen Dank für die Offenheit! Es scheint doch Menschen zu geben, die geradezu von einem Orgelbazillus infiziert werden. Und da ist es immer wieder spannend, "Leidensgefährten" zu treffen. Vielleicht sollten wir einen Verein für entsprechend "Geschädigte" gründen; irgendwo lassen sich vielleicht Fördergelder locker machen. Auch das läge dann auf der Linie "schwäbische Sparsamkeit". Mich hat der Orgbaz im Alter von 14 Jahren (i.e. 1957) befallen und seitdem nicht mehr losgelassen. Dieser gipfelt ebenfalls in meiner Hausorgel, die mit 6 Manualen und 42 Registern ausgesprochen individualistische Züge trägt.

    Hajo

  • Dies ist in der Tat ernst gemeint. Beim Ak-Kurztreffen im Frühjahr 2005 konnten sich einige Orgelfreunde davon überzeugen. Frohe Ostern!

  • Das ist wirklich beeindruckend!



    Gibt es davon Bilder und/oder Disposition? Hört sich hochinteressant an. Das ganze muss ja auch riesengroß sein, hab an meinem vergleichsweise winzigen Hausorgelentwurf ewig geplant um das möglichst klein zu halten und es ist trotzdem viel zu groß .

  • 6 Manuale, 42 Register, in der Tat beeindrucken allein diese Zahlen schon, und es fehlt nicht viel, daß ich ob dieser Schaffenskraft resigniert die Segel streiche, doch je, im Gegenteil, glücklicherweise gereichen mir diese Beispiele zum Ansporn, zum nachahmenswerten Vorbild, auch wenn mir klar ist, daß ich niemals solche Großorgeln bauen werde; nachdem ich mich nun wieder ein Jahr lang mit dem Orgelbau beschäftige, kann ich es nicht mehr verstehen, daß ich über zwanzig Jahre lang davon ablassen konnte, daß mich der Orgelbazillus so lange verschonte: 24-jährig baute ich ein Positiv, nun sind 24 Jahre ins Land gegangen, bis ich mich endlich aufraffte, es gründlich zu erneuern.



    Indes verspüre ich, daß ich nun wohl doch noch infiziert wurde, denn schon drängt es mich, zu den neuen Baßpfeifen noch ein 2'-Diskantregister zu gesellen, gar ein kleines Pedal mit Stummeltasten "darunterzuschieben" etc etc, bei meinem langsamen Arbeitstempo müßte ich hundert Jahre werden, um meine Wünsche verwirklichen zu können.



    Übrigens scheint unser Edward Syska ebenfalls organisch angesteckt zu sein, sucht er doch hier ein größeres Gebläse, ob das wohl für seine fünfte Hausorgel sei?



    Mit dem Wunsche, daß Ihr alle ein frohes und gesegnetes Osterfest feiern möget, grüße ich Euch herzlich,

    Wolfgang