Hängende Traktur - einarmige Tasten

  • Liebe Hausorgelbau-Freunde,



    in vielen Beiträgen wird die an den Ventilen hängende Traktur im Verein mit einarmigen Tasten sehr gelobt:



    Nebenbei möchte ich ein (vielleicht strafbares) Credo aufstellen:

    Einarmige Trakturen lassen sich ohnehin schöner spielen als zweiarmige. (Andreas Keber)



    Ich schaetze die direkte Verbindung und voellige Kontrolle der Ventile der einarmigen Traktur. (Thomas Reinhardt)





    Bei Positiven und Portativen ist eine solche Traktur naheliegend, wenn die Ventile im Tastenabstand angeordnet werden. Allerdings ist dann wohl keine "Leerreise" der Tasten möglich, so daß bei kleinster Berührung, beim versehentlichen Darüberstreichen bereits der Ton erklingt, was nach meiner Erfahrung gerade bei den sehr leichtgängigen Trakturen nachteilig ist. Freilich wird der begnadete Spieler durch eine präzise Anschlagkultur das Problem nicht verspüren...





    Wie sieht nun die Sache bei Orgeln mit Wellenbrett aus? Hier müssen die Tasten unter dem Wellenbrett zu liegen kommen, wenn sie einarmig-hängend angeordnet sein sollen; bei den üblicherweise niedrigen Wohnraumdecken kann das schnell zu einem Höhenproblem werden. Sind auch nach unten drückende Tasten erlaubt? So könnte man wohl auch die Tasten mit langen Stecher-Abstrakten über die Wellen anbringen, doch fehlt dann der Raum unter den Tasten für die Kniee. Oder sind über Winkel zu bedienende waagrechte Abstrakte erlaubt? Durch den Reibungsmehraufwand ist der Vorteil der direkt wirkenden hängenden Traktur schnell wieder dahin.





    Wie dem auch sei, für eine Entscheidungsfindung habe ich nach meiner Hochrechnung noch mindestens ein halbes Jahr Zeit, indes weiß ich eigentlich heute schon, daß ich auf eine Tasten-Leerreise von 1 bis 2 Millimetern nicht verzichten will, erst nach diesem Weg soll der Druckpunkt deutlich spürbar und der Ton hörbar werden.





    Wie seht Ihr die Sache?



    Wolfgang
  • Also, mit der Leerreise ist das ja so eine Sache.

    Bei hängender Traktur generell (fast) unmöglich, da die Tasten ja quasi an den Ventilen hängen.

    Wichtig ist aber der Druckpunkt.

    Wenn ich nun Ventile mit Tastenteilung habe, wird es kritisch.

    Man fühlt keinen Druckpunkt, da die Ventile zu klein sind.

    Ich kenne viele Oberlingerpositive, die dieses Problem haben.

    Daneben ist das Spielgefühl schwammig, unpräzise.

    Besser ist in jedem Fall ein Wellenbrett, um auch "anständige" Ventilgrößen zu bekommen.

    Die Ventile brauchen bei einer guten Traktur und richtige Fläche einen Aufgang von max. 8mm, was schon viel ist.

    Durch die Wellen kann man einen Tastengang von 10-12mm erreichen, was auch massig ist.



    In der neuen Ars Organi ist ein Bild einer bolivianischen Hausorgel. Sie hat direkt über den einarmigen Tasten ein Wellenbrett.

    Das Wellenbrett ist kein Problem!

    Man muß es nur dicht über den Tasten anbringen.

    Eventuell in zwei Hälften teilen, die sich gegenüberstehen.

    Hat z.B. mein lieber Stumm des öfteren gemacht.

    Wellenbrett ist also machbar.

    Und besser als Ventile auf Tastenteilung, die oft ewig lang sind und niedrigen Aufgang haben, mit einem schwammigen Spielgefühl.

    Die Crux ist ja, daß die tastengeteilten Ventile aus dem Regalbereich kommen. In Hausorgeln sind sie eine Mode der Orgelbewegung.

    Ein Gedackt 8' und ein Principal 4' haben auf C auch einen gewissen Windbedarf.

    Daneben hat das Spielventil den entscheidensten Einfluß auf das Anspracheverhalten einer Pfeife, die auf einer Schleiflade steht! Eine auf Lade A intonierte Pfeife klingt nicht notwendigerweise auf B ähnlich oder gleich!

    Ich kenne Oberliner-Hausorgeln, die kann man nie sauber stimmen, geschweige denn intonieren, weil sie durch die tastengeteilten Ventile einfach dubiose Windverhältnisse haben. Stimme ich ein Register rein, so heißt das noch lange nicht, daß es im Plenum oder mit anderen rein klingt.

    Falls jemand Maße braucht, habe die Maße einer optimalen Positivlade für 9 Register. Breite ca. 2m auf 70cm.

    Ist, kann man sich wohl denken, von Stumm, Welschnonnenkirche Trier, Chororgel.

    Kanzellenbreiten, Schiedstärken, etc.

    Man kann also schon auf kleinstem Raum viel unterbingen mit einer guten Technik und Traktur!



    Gruß,

    Andreas Keber

  • Hallo Wolfgang,



    die Traktur in Tastenteilung zu gestalten bei direkt an den Tasten haengenden Ventilen ist nur fuer den Diskant moeglich. Ab c0 abwaerts werden die Kanzellen (inclusive Kanzellenschied) breiter als die Tastenteilung von etwa 13,5 mm. Dies gilt fuer Orgeln mit wenigen Registern. Hast Du nur ein Gedeckt 8' reicht die direkte Traktur auch ein oder gar zwei Oktaven tiefer. Aber beachte dass die Ventillaenge gross genug sein muss.



    Wie gut dichten lange, schmale Ventile? Verziehen sie sich leichter als breite? Diese Fragen habe ich bisher nicht untersucht. Aber ich kann mir vorstellen es gibt sinnvolle Massverhaeltnisse. Doch wo liegen die?



    Zu den Trakturen: mir ist dabei immer wichtig keine zu grosse Leerreise zu haben oder gar eine von Taste zu Taste verschieden grosse Leerreise. Auch spielt fuer mich eine grosse Rolle ob ich erst einen zu schwach dimensionierten Trakturbalken durch Niederdruecken verformen muss bis das Ventil mal aufgehen kann (ein bischen uebertrieben formuliert, aber zutreffend fuer manche zweiarmigen Klaviaturen - wenn auch im Millimeterbereich). Bei vollgriffigem Spiel in der Manualmitte sollte die Leerreise nicht wesentlich von der bei einstimmigen Spiel schwanken. Sonst ist der Balken zu schwach. Ich baue darum eine Tastenwegbegrenzung ein, die direkt unter den Fingerdruckpunkten liegt (Holzbalken mit 1 mm Filz). Das ergibt am Ende des Tastenweges eine eindeutige Grenze, auch bei hohem Druck auf die Taste.



    Gegen ein Wellenbrett unterhalb der Klaviatur ist nichts einzuwenden. Es ist genauso gut wie eines oberhalb. Gerade fuer die tiefe(n) Oktave(n) laesst sich damit eine Pedalkoppel gut zusammenbringen.



    Gruesse

    Thomas Reinhardt

  • Beim Bau meines Orgelpositivs habe ich auch auf die niedrige Wohnraumdecke (210 cm) Rücksicht nehmen müssen. Die Windlade habe ich von C - dis° diatonisch, und ab e° chromatisch in Tastenteilung gebaut. Dazu habe ich eine Wellatur mit 8 Wellen in den Zwischenraum von 11 cm zwischen Klaviatur und Windlade gebaut (3 Wellen übereinander und 2 - 3 Wellen hintereinander, mit 3 verschiedenen Ärmchenlängen) Abbildung unter "5. Ruedis Orgelseite" bei:



    http://wernlis.de.tl/Links.htm



    Von langen Stecherabstrackten würde ich abraten. Ich denke, dass sich die Schwungmasse negativ auf die Repetition auswirken würde.



    Freundlich grüsst

    Ruedi Wernli

  • Vielen Dank für Eure Hinweise, und einmal mehr darf ich ein äußerst liebenswürdiges Orgelinstrument bewundern; allein schon vom Äußeren tritt die Wernli-Orgel mit der Reinhardt-Orgel in den Wettstreit, wie werden die Instrumente erst klanglich das Gemüt anregen!



    Mit Freude sehe ich dem Wochenende entgegen, welches ich wohl wieder hauptsächlich im Keller verbringen werde...



    Was die Traktur im allgemeinen anbetrifft, so darf man, meine ich, weder in der einen Richtung, noch in der anderen übertreiben: Erst heute morgen mußte ich wieder die Erfahrung machen, wie schwer es ist, mit einer sehr leichtgängigen Traktur zu spielen, welch ein Widersinn; in unserer Kapelle steht ein 3-Register-Positiv, da reicht schon fast das Gewicht des Staubes, um die Tasten zu drücken. Anschließend spielte ich auf dem elektrischen Spieltisch der großen Orgel, welch eine Wohltat dagegen, freilich verspürt man dort ebenfalls keinen Druckpunkt, immerhin gibt es ein bißchen Leerreise.



    So weit darf es natürlich nicht kommen, daß sich Trakturbestandteile gleich im Millimeterbereich merklich durchbiegen, ich bin gespannt darauf, wie und was sich bei mir einmal ergeben wird; meine beiden bisherigen Orgelbauversuche erschöpften sich direkt hängend mit Kanzellen im Tastenabstand, ohne Wellenbrett, dafür reichlich mit Kondukten!



    Liebe Grüße,

    Wolfgang.

  • >in unserer Kapelle steht ein 3-Register-Positiv, da reicht

    >schon fast das Gewicht des Staubes



    Das ist kein absolutes Nachteil: es ist eine gute Uebung fuer jeder organist auf solche instrumente zu spielen um die praezision der Finger zu verbessern.

    Logisch hat eine solche Erfahrung keinen Sinn fuer einer, der ein Brahms und Reger Konzert auf eine Pneumatischorgel spielen muss.

    Eine solche Mechanik ist aber fuer manche Positive und besondere Kirchenorgeln sinnvoll.



    In Italien, zum beispiel, ist die einarmige anhaengende Traktur von XV bis zum Anfang der XX Jahrh. die Regel gewesen. Und jetz kommt es wieder haufig im Brauch.

    Besonders Merkwuerdig sind die grosse Instrumente der Vergangenheit: das einzige Manual war oft auf die Basis einer 16 oder sogar 24 fuessiges Prinzipal gebaut. Die Tasten fuehlen aber unglaublich praezis und leicht unter den Fingern und sind desshalb fuer Klaviervirtuosismus sehr geeignet.

  • Fabio Rigali:
    > es ist eine gute Uebung ... auf solche instrumente zu spielen um die praezision der Finger zu verbessern.





    Veramente

    "eine gute Übung", überhaupt bedürfte ich viel mehr der Übung; so bleibt mir nur die Hoffnung, daß virtuose Gastspieler kommen werden, um mein zukünftiges Instrument zu beurteilen, möglichst schon während der Bauphase, um eventuell noch Korrekturen anbringen zu können,





    Wolfgang.