Fräsen von Oberlabien

  • Hallo,

    zur Erweiterung meiner bestehenden Hausorgel bin ich daran Principal 8'(ab c0) und Principal 4' aus Birnbaumholz zu bauen.

    Da ich nicht alle Oberlabien mit Säge und Stecheisen von Hand ausstechen will, denke ich über eine geeignete Fräsvorrichtung nach.

    entweder:

    1. horizontale Einspannvorrichtung mit einer "schiefen Ebene" zur Führung der Handoberfräse

    oder:

    2. Vertikale schlittenartige Einspannvorrichtung zum Gebrauch am Frästisch oder an der Kehlmaschine.

    Hat jemand Tipps, Erfahrungen oder Ideen zu so was?

    Herzlichen Dank und beste Grüsse

    Werner Bucher

  • Hallo Werner Bucher,



    unser Arbeitskreismitglied Peter Bahlmann (derselbe, der die Truhenorgel gebaut hat wonach das Buch >Die Truhenorgel< entstand) hat eine Vorrichtung, wie unter 1. beschrieben, entworfen und gebaut. Peter ist Werkzeugmacher vom alten Schlag und schon die Vorrichtung ist perfekt gearbeitet. Die damit hergestellten Labien sehen aus wie Spiegel.



    Die Vorrichtung besteht aus zwei parallelen Backen wie bei einem Schraubstock. An jeder Backen innen ist eine Schraege im Winkel 1:6 (oder was man braucht), auf der das Oberlabium oder die Pfeife aufliegt. Man fuehrt nun die Oberfraese horizontal zwischen zwei seitlichen Anschlaegen. Die Anschlaege sind fest auf den Backen befestigt.



    Leider habe ich kein Bild der Vorrichtung zum Einstellen und Peter Bahlmann hat keinen E-Mail-Anschluss. Wichtig ist noch eines: vor dem Bearbeiten des Oberlabiums mit der Oberfraese ist von der Rueckseite mit einem feinen Saegeblatt ein Schnitt zu machen. Der Schnitt definiert die Aufschnitthoehe und soll nur etwa 1 bis 2 mm tief sein. Ist der Saegeschnitt tief genug faellt beim Fraesen des Labiums der untere Teil weg und der Aufschnitt ist "fertig".



    Viele Gruesse

    Thomas Reinhardt

  • Hallo!

    Zufällig ist mir "De Bouwbrief" Nr.122 vom Augustus 2006 in die Hände gekommen. Dort beschreibt Johan de Vries, im AK Hausorgel gut bekannt, eine "Armeleute-Fräshilfe für Labien" ausführlich und mit sehr guten Zeichnungen. Ich kann Ihnen eine Kopie schicken, wenn Sie möchten. Das geht aber erst nach 9. Oktober. Die niederländische Sprache ist der deutschen so ähnlich, dass man fast alles versteht, eigentlich sagen aber die Zeichnungen genug.

    Freundlichen Gruß

    Eberhard Biener

  • Vielen Dank, Thomas Reinhardt und Eberhard Biener, für die prompten und hilfreichen Antworten.

    Für eine Kopie des erwähnten Artikels aus dem "Bouwbrief" wäre ich sehr dankbar.

    Beste Grüsse

    Werner Bucher

  • Herstellung von Oberlabien mit der Oberfräse.



    Ein bewährtes Verfahren ist in der Zeitschrift "Die Hausorgel" Heft 5/1994 beschrieben.

    Hier folgen einige Zusatzinformationen mit Bildern:



    (Durch Anklicken der Bilder werden diese in voller Größe dargestellt)



    Die Vorrichtung:



    Bild 1





    An einem Schraubstock werden zwei 90-Grad-Winkelprofile angebracht, deren waagerechte Flächen eine ausreichend große Auflage für die Oberfräse bilden, während die senkrechten Flächen zum Festklemmen des Pfeifenbrettes dienen.

    Zwei über Langlöcher verstellbare Anschlagleisten - als seitliche Führung der Oberfräse – bestimmen die Breite der Bärte. Nur wenn sich diese ändert oder ein anderer Fräserdurchmesser verwendet wird, muss die Einstellung der Anschlagleisten verändert werden. Das bedeutet: Es kann eine ganze Reihe von Labien unterschiedlicher Breite gefräst werden, ohne dass an der Einrichtung irgendetwas verstellt werden muss. Eine entsprechende Schrägstellung der Anschlagleisten ermöglicht auch das Fräsen von konisch verlaufenden Oberlabien bzw. Bärten. Anschlagleisten aus Winkel- oder U-Profil anstelle von Voll-Material (Bild 2) erleichtern das Anbringen der Langlöcher. Als Auflage des Pfeifenbrettes dienen zwei in der Schrägstellung verstellbare, ca. 3 mm starke Pertinaxstreifen (Bild3).

    Gefräst wird mit einem Nutfräser. Der jeweilige Durchmesser ist unwichtig, er muss nur kleiner als die Breite des Oberlabiums sein.



    Bei den folgenden Bildern (Bild 2 bis 4) wurden ein Alu-Schraubstock „Hobby“ und Kastenprofile aus dem Fensterbau verwendet, die beim Schrotthändler gefunden wurden. Es sind aber schon auch andere Konstruktionen - auch ohne Schraubstock - gebaut worden, die alle nach dem hier beschriebenen Prinzip funktionieren.



    Bild 2



    Bild3



    Bild 4





    Der Arbeitsablauf



    Es ist zweckmäßig, gleich eine ganze Reihe von Pfeifen mit einer einheitlichen Wandstärke vorzubereiten und dafür mit einer einzigen Einstellung der Fräseinrichtung alle Labien zu fräsen.



    Das Pfeifenbrett in genau passender Breite sollte eine ausreichende Überlänge haben, damit ggf. noch einmal nachgefräst werden kann.



    An der Pertinaxauflage wird der Winkel der Labiumschräge eingestellt. (Bild 3). Dieser wird bei einer offenen Pfeife etwas flacher gewählt als bei einer Gedacktpfeife. Grundsätzlich sollte die Schräge nicht zu steil sein: so hat ein flacher Verlauf auch den Vorteil, dass sich bei einer später eventuell vorzunehmenden Aufschnitterhöhung die Dicke der Oberlabiumkante nur wenig ändert.



    Die Anschlagleisten für die Oberfräse werden so eingestellt, dass die Bärte minimal breiter werden als die Stärke der Seitenwände des Pfeifenkörpers. Damit wird sichergetellt, dass die Bärte die Seitenwände sauber überdecken.



    Die Tiefeneinstellung des Fräsers ist unkritisch; wichtig ist, dass das entstehende Oberlabium bei der Stärke „Null“ ausläuft!



    Die Oberfräse wird einfach an den beiden Anschlägen entlanggeführt. Ein zweifacher Durchgang mit etwas mehr Tiefe erhöht die Oberflächenqualität.



    Nach dem Fräsen wird mit einer Mikrometerschraube oder Schieblehre der Punkt auf der Labienschräge gesucht und mit einem Bleistift markiert, der dem gewünschten Maß der Dicke der Oberlabiumkante entspricht.



    Erst jetzt (abweichend von der Methode beim manuellen Ausstechen des Oberlabiums!) wird in Höhe der Markierung auf der Rückseite ein möglichst feiner Sägeschnitt (mit Pucksäge, besser mit Proxxonkreissäge o. ä.) für die Oberlabiumkante angebracht. Der Schnitt sollte nicht tiefer als nötig sein! (Bild 5, Bild 6).



    Bild 5



    Bild 6





    Danach wird das angesägte Endstück des Labiums mit einem Messer herausgelöst (Bild 7).



    Bild 7





    Zum Schluss werden die Seitenbärte gemäß der vorher festgelegten Aufschnitthöhe auf Länge geschnitten (Bild 8).



    Bild 8





    Der gesamte Vorgang dauert nur wenige Minuten, das Resultat ist eine absolut glatte Oberlabiumfläche mit einer genauen Labiumkante, die ohne Nacharbeit sofort die gewünschte Stärke aufweist.