Automatische Balgantriebe

  • Hallo in die Runde!



    Hatte ja vor längerer Zeit mal eine Antwort auf einen ähnlichen Thread gegeben, in dem es auch um automatisierte Balganlagen ging.

    Damals sagte ich ja, ich hätte einen Mikrokontroller-gestützten Antrieb entwickelt, im Rahmen einer Studienarbeit.

    Das ganze Schauspiel ist auch sehr schön, allerdings stören mich immer noch die nicht unerheblichen optischen Eingriffe in historische Balganlagen.

    Die Antriebsmotoren müssen ja auch irgendwo hin etc.

    Da ist ein Ventus im Kasten immer noch unauffälliger.

    Nun, ich möchte meine Studienarbeit nicht schlecht reden, ganz im Gegenteil.

    Aber man müßte hier doch was Simples entdecken können.

    Kuhn Orgelbau z.B. "bläst" die Bälge auf, sperrt währenddessen das Kröpfventil, um es dann freizugeben.

    Am einfachsten wäre eine Technik, die die Bälge dort runterzieht oder aufdrückt, wo es der Mensch tut: am Kalkantenhebel.

    Hierfür evtl. einen Getriebemotor mit Exzenter um eine lineare Bewegung zu erhalten, starkes Seil...

    Und runter mit dem Hebel.

    Vorteil: weniger Drehmoment als direkt am Balg wegen der Hebelübersetzung, daher kleinerer Antrieb.

    Dann müßte die Exzenterscheibe pro Aufzug nur eine Drehung machen und fertig. Das käme der Arbeit des Kalkanten am nächsten.

    Durch die Exzenterwelle bekäme man auch einen "sinusförmigen" Kraftverlauf.



    Allerdings bleibt folgendes:

    Geräusche.

    Wenn ich nun z.B. zwei Keilbälge mit einem Ventus betreibe, muß ich zwar auf den Luxus einer wirbelfreien Windversorgung verzichten, jedoch ist der Wind wesentlich stoßfreier, als wenn nur ein Balg am Ventus hängt.

    Wie hoch wiegt uns nun der Luxus einer historischen Windversorgung?

    Für ein paar Anregungen bin ich dankbar.

    Nebenbei: falls jemand Interesse an meinen Ausführungen zur Untersuchung des Windverhaltens verschiedener Balgformen hat, genügt eine Mail.



    Gruß,

    Andreas

  • Herr Keber,



    Genau dies ist auch für mich der springende Punkt, sehr viele Skizzen liegen in meinem " Nähkästchen" leider ist nichts optimales dabei. Mein Vorschlag : Machen wir ein Projekt Team ----- Keilbalg Aufzug & Steuerung.

    Ich freue mich wenn Sie sich melden.



    Hermann Werlen

  • Lieber Andreas,



    Ich empfehle, Kontakt mit Remy mahler auf zu suchen. Der hat ein paar Instrumenten (neu) mit seinem eigenem System gebaut - da war mal ein Artikel in einem Ars Organi; rein pneumatische/mechanische Steuerung.



    Ohne Angriff in die Substanz und ohne optisch störende Technik kämmest du nur mit Automaten (in Menschen- oder Affenform ), eine kleine Kamera an einem Rechner angeschlossen (beide versteckt), der erkennt die Balgbewegungen und steuert die Automaten entsprechend.

    • Herr Weerlen:

      Mein Vorschlag : Machen wir ein Projekt Team ----- Keilbalg Aufzug & Steuerung.



    => Da moechte ich gerne mitwirken, denn mit geblaeselos erzeugtem Wind beschaeftige ich mich auch schon eine Weile.





    Eine Anregung kam vor in dem Bormann-Buch zu dem dort beschriebenen Portativ. Diese habe ich in meinem Opus 1 (hier beschrieben unter >Hausorgelgalerie<) umgesetzt mit einem (noch) handbedienten Doppelschoepfer und Magazinbalg.





    Eine weitere Anregung kommt aus dem Orchestrionbau aus meinem Heimatstaedtchen Waldkirch: die Windanlagen bestehen dort aus zwei Doppelschoepfern, die mit Kurbelwelle (handbedient oder mit Motor) angetrieben werden und einen Magazinbalg aufladen. Die beiden Kurbelzapfen sind um 90 Grad versetzt, sodass alle 90 Grad ein Balg von vieren blaest. Die Druecke dort sind hoch (dreistellige mmWS-Zahl) und die Geraeusche oft zu laut. Trotzdem kann das Prinzip als Ansatz genommen werden, da wir nicht so hohe Druecke verwenden und die Betriebsgeraeusche geringer sein sollten.





    Noch eine Anregung war auf der Frankfurter Musikmesse vor Jahren schon zu sehen: drei Baelge, die von je einem unabhaengigen Kurbelantrieb ueber Seil aufgezogen wurden. Herrn Weerlen habe ich die Konstruktion schon beschrieben. Die Kurbel ist anfangs in der unteren Position (0 Grad). Sie geht auf 180 Grad, um den Balg hochzuziehen. Dort verbleibt die Kurbel, bis der Balg eingesetzt / benoetigt wird. Dann dreht sie wieder in die 0 Grad-Position und der Balg legt sich auf den Wind. Eine uebergeordnete Steuerung sorgt dafuer, dass immer ein Balg den Wind liefert und ein Balg bereit ist auf 180 Grad. Natuerlich braucht es noch Sensoren zum Abtasten der Position der Balgstellung.





    In der Karlsruher Stadtkirche am Marktplatz steht eine Chororgel von Remy Mahler. Die Balganlage im Turm hat einen Hauptbalg mit einer Falte und einen weiteren Balg, der nur dann Wind liefert, wenn der Hauptbalg gerade aufgeblasen wird. Es finden noch bis 3. August Sonntags um 21h Orgelkonzerte statt.





    Gruesse



    Thomas Reinhardt


  • Grüss Gott,



    Wie hoch wiegt uns nun der Luxus einer historischen Windversorgung? (Hr. A. Keber )



    Eine historische Orgel, ob gross oder klein, ist ein unantastbares Gut, kostbar auch in den kleinsten Details, dazu gehört auch die Windversorgung. Für mich ist es darum selbstverständlich, dass nicht nur Silbermann, ---Arp Schnitger, ---CC – Orgeln sorgfältig bis in’s letzte Detail erhalten und gepflegt werden müssen, sondern jede Orgel, egal wo sie steht und wer sie gebaut hat, - gleich welcher Epoche und Stilrichtung. Dazu muss unbedingt die notwendige Zeit für eine Bestandesaufnahme und logischerweise auch die finanziellen Mittel bereit gestellt werden. Damit lehne ich jede Art von Eingriffen,auch wenn sie noch so raffiniert kaschiert werden kategorisch ab.

    Etwas anderes ist es, wenn eine Orgel NEU gebaut wird. In diesem Fall soll man doch bitte moderne Materialien und auch die Erfahrungen von heute in die Instrumente einfliessen lassen. Aus dieser Haltung heraus verwende ich z.B. für Stecher Verbundmaterial. ( kleinere Masse ! )

    Mich hat noch kein einziger, sogenannter historischer Nachbau restlos überzeugt,--- muss aber zugeben dass ich vielleicht zu alte Ohren habe.



    Nun zur Keilbalg – Steuerung.

    Sensoren oder elektronische Elemente zur Balgbewegungs Steuerung ist ungeeignet, weil u.U. Morgen keine Reparatur möglich ist. ( Ersatzteile !) Die Idee von Hr. Reinhardt ist gewiss mit akzeptierbarem Aufwand realisierbar, doch für jeden Balg ein Elektromotor ist mir nicht sympatisch. Ich verfolge nach wie vor eine Lösung, welche die Bewegung der oberen Balgplatte für die Oeffnung – bzw. Schliessung

    der Ein- & Auslassventile verwendet. Ob die Bälge gezogen oder mit Schöpfbälgen hoch gepumpt wie oben geschrieben - steht noch in den Sternen, wenn gehoben; dann nur mit einem Motor.



    Herzliche Grüsse



    Hermann Werlen