Extreme Mensuren

  • Meine Erfahrungen beim Bau von Probepfeifen mit extremen Mensuren aus Holz:



    1. zylindrische enge Pfeifen lassen sich bis minus 30 HT (Normalmensur) bezogen auf einen offenen 4' bauen, die Intonation ist aber sehr zeitraubend, der Klang leise, heiser-rauschend, nicht so stark streichend wie der von Metallpfeifen, die Ansprache langsam.



    2. Je kürzer die Pfeife bzw. höher die Fußtonlage, desto geringer ist die brauchbare Bandbreite für Mensuren, bei kleinsten Pfeifen (unter 2 cm) macht sich zudem der Einfluss der Mündungskorrektur stark bemerkbar, dadurch werden die Pfeifen sehr weit und laut; insbesondere bei Positiven kann ich mir daher bei kleinen Registern

    eine changierende Mensur vorstellen, die nach oben immer enger wird. Ein offenes 1'-Register auf Taste c3 (aus Holz gefräst) kann also durchaus eine Tiefe und Breite von nur 2,5 mm erreichen und klingt bei dieser Abmessung gut. Genaues Arbeiten ist natürlich Voraussetzung. Bei Versuchen mit Pfeifen aus Kunststoff konnte ich sogar Pfeifen mit einem Durchmesser von nur 2 mm zum Klingen bringen, der Ton wird dann aber schwach, wäre aber für eine "Cymbala Aetherea" denkbar.



    3. extrem weite Flachflöte: Pfeifenlänge 10 cm, Labiumbreite 4 cm, Tiefe 1 cm, Aufschnitt 3-5 mm: der Ton ist trotz der weiten Mensur singend-obertönig,

    aber wenig mischungsfähig, Mensur für ein Hausorgel-Pedalregister 2' für cantus-firmus denkbar.



    4. extrem schmal labiiertes Gedackt: Pfeifenlänge 10 cm, Labiumbreite 1 cm, Tiefe 5 cm, Aufschnitt 1 cm: schöner leiser flötiger Ton, gut mischungsfähig. Pfeifen dieser Mensur klingen im Bass aber zu schwach, im oberen Diskant wird die Tonhöhe immer unbestimmter, schlecht stimmbar.



    5. stark konische Pfeifen: Länge 10 cm, am Kern 2,5 x 3 cm, an der Mündung 5 x 10 mm, Aufschnitt 4-5 mm: heller leicht näselnder Flötenton, klingt nach "Wald",

    gut als Quinte 2 2/3' (Diskant) oder 2' (zusammen gespielt mit 8'). Herstellung etwas aufwändig, da die klingende Pfeifenlänge beim Stimmen nur noch wenig verändert werden darf.



    6. stark trichterförmige Pfeifen: Länge 10 cm, am Kern 1 x 1 cm, an der Mündung 4 x 4 cm, Aufschnitt 4-5 mm. Ton laut und klar. Für ein Pedal 2' denkbar.



    7. sehr weite Pfeifen (besonders die kleinen unter 3 cm Länge) sprechen bei einem Winddruck unter 35 mm WS schwer an.



    8. sehr enge Pfeifen (besonders die längeren über 30 cm) sprechen (zu) langsam an.



    Diese Versuche hatten mehr experimentellen Charakter, Mensuren dieser Art würde ich bei einem Positiv nicht verwenden, bei einer Hausorgel wäre das eine oder andere aber neben den normalen Grund-Registern als würzige Zutat denkbar.

  • Das ist wohl die umfassendste Antwort auf die hier aufgeworfene Frage; phantastisch: Eine "extrem weite Flachflöte, singend-obertönig, ich werde sie nachbauen, denn "ich habe Lust zu ihr"!



    Was die "stark konischen Pfeifen" anbetrifft, kann ich das vollkommen bestätigen:

    "Herstellung etwas aufwändig, da die klingende Pfeifenlänge beim Stimmen nur noch wenig verändert werden darf"; nach meiner Erfahrung nur noch wenig verändert werden kann, da ein Kürzen sofort den gegenteiligen Effekt durch erhöhte Luftstromfortstetzung (Mündungskorrektur) nachsichzieht



    - doch wie könnte ich trotz allem Aufwand auf die Klangsüße einer Spitzflöte verzichten!