Leimen oder Schrauben?

  • Liebe Orgelbauer

    - gibt es eigentlich auch Orgelbauerinnen hier im Forum?



    An anderer Stelle wurde beschrieben, daß die Ventilkästen der Windladen üblicherweise schwalbenschwanzverzapft werden. Meiner Erfahrung nach dürfte eine stumpfe Verbindung der Ventilkastenteile ausreichend stabil sein, sofern die Kanten gerade und absolut rechtwinklig gesägt sind.



    Vorsichtshalber verwendete ich bisher überall reine Schraubverbindungen, um den Kasten später doch noch einmal zerlegen zu können, sei es, um Undichtigkeiten zu beheben, sei es, sonstige Fehler im Inneren zu beseitigen. Nun bin ich indes in der Sorge, ob sich nicht durch das Schwinden des Holzes im Laufe der Jahre Fugen ergeben, welche einen nicht mehr tragbaren Windverschleich zum Gefolge haben könnten. An alten Baßpfeifen zeigt sich augenscheinlich das Problem, daß die Vorschlagbrettlein locker werden. Während man die Schrauben bei den Pfeifen verhältnismäßig einfach nachziehen kann, scheue ich den Aufwand, die halbe Orgel zerlegen zu müssen, um alle Schraubverbindungen an den Windladen nachzuziehen.



    Was meint Ihr dazu, soll ich, nachdem die Dichtheitsprobe und die Leichtgängigkeit der Ventilmechanik erfolgreich festgestellt wurde, lieber doch noch einmal alles zerlegen und auf die Kanten Leim auftragen, um dadurch den Kasten auf immer zu verschließen?



    Es grüßt Euer verunsicherter

    Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,



    die Frage stellte ich mir vor einigen Jahren auch. Ich habe die Windkaesten aus Eiche und mit Schwalbenschwanzverbindungen in den Ecken hergestellt. Meine Verbindungen sind stabil auch ohne Schrauben, aber natuerlich nicht winddicht. Als Loesung habe ich ueber den Spalt bzw. in die Ecken einen Streifen Leder so aufgeklebt, dass die Bretter noch arbeiten koennen und das Leder genuegend Bewegung mitmachen koennte. Also gibt es ein Stueck des Leders ohne Leim ueber der Ecke.



    Das angewandte Prinzip heisst >Aufgabenteilung<. Die Bretter mit der Schwalbenschwanzverbindung bringen die Stabilitaet, das Leder die Dichtigkeit. So wie jedes Bauteil es am besten kann.



    Viele Gruesse

    Thomas Reinhardt

  • Hallo Wolfgang,



    hast Du die geschraubten, also lösbaren Verbindungen beledert?

    Ich habe meine Manualventilkästen auch nur geschraubt.

    An den Verbindungsstellen habe ich überall einen Lederstreifen eingeklebt.

    So wirds erstens schon beim Schrauben schön dicht.

    Und zweitens wir sich eine Ermüdung im Holz an den Schraubstellen nicht in einer Undichtigkeit auswirken.



    Früher verwendete man z. B. für die Ventildeckenl auch richtig 'fette' Schrauben.

    Aus dem Grund, weil die dann der Gewindegang recht tief sein kann. Versuche also auch, möglichst dicke Schrauben zu verwenden, weil sich dann das Gewinde tief ins Holz schrauben kann.



    Schönen Gruß

    Johannes

  • Hallo.

    Zu diesem Problem würde ich mich gern einklinken:

    Ich ging beim Bau meiner Lade bisher davon aus, dass der Dichtigkeit wegen alles geleimt ist und nur der Windkastenboden(mit den Bohrungen für die Abzugsdrähte)aufgeschraubt wird, natürlich mit Verwendung von Leder dazwischen. Liege ich falsch damit? Ich mache mir nämlich Gedanken, ob die Schrauben auch halten, da sie ja sozusagen ins "Stirnholz" der Multiplexplatte(Material der Windkastenwände) gedreht werden.



    Schöne Grüße

    Achim

  • Silbermann: Eiche, Schwalbenschwänze, Beutelbrett stößt stumpf auf den Windkastenboden, Leimzwickel, Lederdichtung. Lederpulpeten. Störungsloser Betrieb: 300 Jahre; Aufstellungsort: Kirchen mit schwankenden Klimabedingungen.



    Syska: Multiplex- Sperrholz, durchgehende Bodenplatte, aufgeschraubt mit Spax-Schrauben (!). Abdichtung durch innenliegenden Lederstreifen über der Winkelverbindung zwischen Seitwänden und Bodenplatte. Teflon- Pulpeten. Störungsloser Betrieb: 3 Jahre. Aufstellungsort: wohltemperiertes Schlafzimmer (Sic!).

    Noch Fragen bezgl. Blasphemie?

  • Ja, das würde mich auch interessieren.



    Ich habe gute Erfahrung gemacht mit Durchführungen von Maurerschnur (reiss- und dehnungsarm) durch ganz klein durchbohrte Hölzbretter (2-4cm stark, Bohrerdurchmesser 1,5mm oder kleiner). Durch so einen Kanal strömt extrem wenig Luft.



    Zur Verbesserung habe ich einen Streifen Leder über die Löcherchen geleimt und ihn nur mit einer Nadel durchstochen. Sicherlich muss man das alle paar Jahre erneuern. Das Durchfädeln von der Schnur geht am besten, wenn man die ersten 3-4 cm mit Sekundenkleber tränkt und ein bisschen wartet. Man hat dann eine stabile Spitze.



    Sicherlich liesse sich eine Durchführung aus Teflon noch windverlust-ärmer bauen.



    (Und man spart sich das Gefummel mit den Pulpeten...)



    Gruß,

    Ulf

  • Auf jeden Fall kann wohl festgestellt werden, daß die zahlreichen Beiträge hier den Nerv des selberbauenden Hausorglers getroffen haben, die mit Fragen der Stabilität und Dichtigkeit einhergehende Sorge der Störungsfreiheit, und so möchte ich allen Antwortenden für die Ratschläge danken; sie lassen neben der rein praktischen Komponente den tröstlichen Gedanken erahnen, daß im Grunde genommen zumindest viele laienhaften "Manufacteure" (Ulf) sich mit den gleichen Überlegungen beschäftigen, während Fragen der äußerlich sichtbaren Dinge, seien es Gehäusegestaltung oder Manubrienherstellung dagegen als weniger existenziell geeignet erscheinen, eher in den Hintergrund zu treten!



    Die Ratschläge umsetzend werde ich nun die Zargenbretter, welche ich übrigens aus Fichtenholz, 18 stark und 100 hoch fertigte, um darin einigermaßen fest Schrauben hineindrehen zu können, mit der darüberliegenden Ventilschlitzplatte verleimen, während die Bodenplatte mit den Abzugsdrähten abschraubbar bleibt; zwischen den aufliegenden Kanten werde ich Lederstreifen kleben, welche dann wohl auf Jahre hinaus die allmählich nachlassende Schraubenspannkraft abfedern dürften.



    Bei der Gelegenheit möchte ich mich nicht allzu geizig hinsichtlich des Windverschleichs zeigen, solange man sich nicht den Zorn des Blasbalgtreters zuzieht, sondern auf eine reichlich dimensionierte Windversorgung vertrauen kann, welche die Verluste problemlos wegsteckt. Somit freut mich Ulfs Vorschlag, anstelle von Pulpeten einfach sehr dünne Durchführungslöcher für die Abzugsdrähte zu verwenden; tatsächlich ergibt sich dadurch höchstens ein Windverbrach einer zusätzlichen Baßpfeife und soviel sollte doch immer drin sein!

    Einzig verwende ich anstatt der Maurerschnur, welche zwar durchaus seine Vorzüge hat, daß Ventilhaken, Durchführungsloch und Wellenärmchen nicht absolut fluchten müssen, Messingdraht 1 mm in der Hoffnung, damit eine dauerhaftere Mechanik zu erhalten.



    Andererseits verwendete ich die Schnur bei meinem im wörtlichen Sinne angehängtem Pedal als einfache Verbindung zu den Manualtasten, seit über zwanzig Jahren problemlos ohne einen einzigen Riß. Und in der Regulierung des Rollventils zwischen Gebläse und Balg verführt die Schnur weltweit vielhundertfach tagein tagaus klaglos ihre Aufgabe, ebenfalls ohne abdichtende Masse, ohne "Pulpete".



    Abschließend würde es mich nun doch neugierig interessieren, welcher Natur die sich nach drei Jahren einstellenden Störungen an Syskas Schlafzimmerorgel seien...



    -so, jetzt muß ich aber los, um die 7-Uhr-Morgenmesse zu beorgeln!