Selbstbau: Zeit- und Material-Aufwand

  • Für Interessenten, die vorhaben, ein Positiv / eine Hausorgel weitgehend selbst

    zu bauen, einige Erfahrungswerte aus meiner eigenen jahrelangen (dokumentierten)

    "Bastel"-Zeit (Bau eines Positivs mit ca. 500 Holz-Pfeifen, verteilt auf 19 halbe

    Register, Bauzeit ca. 1600 Stunden zwischen 1982 und 2002, beschrieben in

    "Die Hausorgel" Heft 14/2003):



    Bei großem Anfangs-Enthusiasmus übersieht man leicht, dass ein solches

    Orgel-Bau-Projekt oft über Jahre hinweg einen nicht unerheblichen Teil der Freizeit

    in Anspruch nimmt. Dabei gibt es immer wieder Phasen von größerer Aktivität und

    solche von "Durchhängern". Zudem können persönliche, familiäre, berufliche und

    gesundheitliche Unwägbarkeiten zu Unterbrechungen führen. Zu den reinen Bauzeiten kommen noch Planung, Material-Beschaffung, Bau von Hilfs-Werkzeug, Änderungen während des Baus.



    Man sollte sich nicht übereilt ohne genügende theoretische Wissensaneignung,

    praktische Erfahrung im Umgang mit handwerklicher Holzbearbeitung und eines

    einigermaßen klaren Konzeptes des Projektes an die Arbeit machen, etwa in

    folgender Reihenfolge:



    1. Orgelbau-Literatur-Studium

    2. Wissen über Kleinorgeln (Portativ, Positiv, Hausorgel) aneignen: lesen, anschauen,

    anhören

    3. Bau einiger Holzpfeifen verschiedener Form und Größe

    4. wenn möglich: Besuch/Gespräch in einer Orgelbauwerkstätte

    5. vorläufiges Konzept, Disposition, grober Zeit- und Kostenrahmen

    6. Bau einer Intonierlade (beschrieben bei Karl Bormann "Heimorgelbau")

    7. Beschaffung eines (gebrauchten) Gebläses

    8. wenn noch nicht vorhanden: Einrichtung einer zweckmäßigen (kleinen) Werkstatt

    9. Bauplan, Detailpläne, Mensurdaten

    10. Materialbeschaffung, Bau, Änderungen - dazwischen immer wieder: Nr. 2 und Nr. 4



    Zeit-Kalkulation



    Vorausgesetzt, es wird außer dem Gebläse alles selbst gefertigt, alle Pfeifen sind aus

    Holz gemacht, es steht eine bescheidene Heimwerkerausrüstung zur Verfügung:



    an 8 Monaten pro Jahr und 10 bis 12, bzw. 3 - 4 Stunden pro Woche Arbeitszeit

    ergeben sich folgende Bauzeiten:



    Portativ, 1 Register, 2 Oktaven, 300 Stunden, ist 1 bis 2,5 Jahre

    Portativ, 2-3 Register, 3 1/2 Oktaven, 500 Stunden, ist 2 bis 5 Jahre

    Positiv, 5-6 Register, 4 1/2 Oktaven, 850 Stunden, ist 3 bis 8 Jahre

    Positiv, 8 Register, angehängtes Pedal, 1300 Stunden, ist 4 - 10 Jahre

    Hausorgel, 15 Register, 2 Manuale, Pedal + Koppelmanual, 3000 Std., ist 10 bis 25 Jahre

    Hausorgel, 30 Register (w.o.), 4500 Std., ist 15 bis 38 Jahre



    Arbeitszeit verteilt auf:



    Pfeifenbau, Intonation, Stimmen 45 %

    Lade(n), Ventile, Pfeifenstöcke, Schleifen 25 %

    Klaviatur(en), Traktur, Registratur, (Koppeln) 15 %

    Gehäuse, (Schweller, Bank) 10 %

    Windanlage (Balg, Tremulant) 5 %



    Arbeitsgänge verteilt auf:



    sägen/schneiden/stanzen 25 %

    hobeln/entgraten/schleifen 25 %

    leimen/kleben/schrauben 25 %

    bohren/fräsen/drechseln 15 %

    tauchen/ausgießen/streichen 5 %

    einstellen/biegen/montieren 5 %



    Kosten (Positiv 4 - 8 Register):



    Weichholz- Platten, Latten, Bretter 35 %

    Sperrholz, Mehrschichtplatte 25 %

    Hartholz, Rundholz 10 %

    Leim, Kleber, Lack, Farbe 10 %

    Metall (MS-Draht, -Rohr, Blei, Schrauben) 10 %

    Leder, Textil, Kunststoff, Papier, sonstiges 10 %



    zuzüglich (gebrauchtes) Gebläse



    Die Material-Kosten ohne Gebläse (Stand 2005)

    dürften etwa liegen bei:



    Portativ 1 - 3 Register 250 €

    Positiv 5 - 6 Register 500 €

    Positiv 8 Register, angehängtes Pedal 750 €

    Hausorgel 15 Register 1500 €

    Hausorgel 30 Register 3000 €



    Bei Verwendung von Recycling-Material kann sich dieser Preis

    ohne weiteres halbieren, bei aufwändiger Gehäusegestaltung

    dagegen sogar verdoppeln.



    Die Nebenkosten

    anteilmäßig für Werkzeug, Energie, Beschaffungsfahrten

    können durchaus im Bereich der Materialkosten liegen.



    Gesamt-Wert

    Würde man nun auch noch die Arbeitszeit mit einem Stundenlohn

    von 15 € in Rechnung stellen, käme man zu folgenden Endwerten:



    Portativ 1 - 3 Register 8.000 €

    Positiv 5 - 6 Register 14.000 €

    Positiv 8 Register, angehängtes Pedal 20.000 €

    Hausorgel 15 Register 50.000 €

    Hausorgel 30 Register 75.000 €

  • Hallo Reinhold,



    eine sehr interessante Aufstellung, die recht ausführlich Aufschluß über die zu veranschlagende Arbeitszeit beim Selbstbau gibt.



    Interessieren würde mich, von welcher Werkstatteinrichtung (Art der Maschinen) Du bei Deiner Berechnung ausgegangen bist.



    Ich weiß aber nicht, ob die Materialkosten wie angegeben ausreichen. (15 II/P: 1500 Euro) Ich denke, ich habe jetzt für die Pedalspielanlage und einfaches Gehäuse in Eiche furniert wohl schon 1000 Euro beisammen. Vor allem für das Massivholz für Pedal/Bank und die Multiplexplatten für die Windladen kommt schnell einiges zusammen.



    Schönen Gruß

    momentan vom Hausorgelbau beurlaubter

    Johannes

  • Kann mal so sagen:

    Materialkosten für die Restaurierung (nicht Neubau) einer 12-Register-Kiste mit zwei Keilbälgen:



    32.000 €!



    Darin enthalten:

    Pfeifen (restaurierte und neue, rund 7000 €)

    Holz (rund 8000 €)

    Bälge (schlappe 6000 €)

    Leder...

    Klaviaturen...

    etc.

    es läppert sich zusammen!

  • Hallo Herr Schafroth,



    die durch Buchführung entstandene detaillierte Auflistung Ihrer aufgewendeten Zeit ist interessant. Damit kann jeder, der am Anfang des Baus steht, zumindest überschläglich Soll und Ist vergleichen.



    Bei den Materialkosten sehe ich es ähnlich Herrn Keber: sie sind höher zu veranschlagen. Aus den mir zur Verfügung stehenden Abrechnungen der auf http://www.hausorgel.de zu sehenden Orgel Reinhardt ergeben sich allein für das Pfeifenholz etwa 2.500 € (Prinzipal 8' Pedal, Gedackt 8' Manual, Holzprincipal 4' Manual).



    Viele Grüße

    Ulrich Reinhardt

  • Hallo,Herr Schafroth,

    welcher Zeitaufwand ist zu veranschlagen für die sehr genaue Auflistung von Arbeitsgängen und Materialien? Für den Bau einer Viola da Gamba (Baß) habe ich eine solche Fleißarbeit einmal gemacht . . .

    Mit besten Grüßen

    FDienstbach

  • Meine "Werkstatt" ist ein ehemaliger Stall,

    zwar mit Elektrizitäts- und Wasseranschluss, aber

    ohne Heizung, daher nur im Sommerhalbjahr benutzbar.



    Statt einer Werkbank habe ich nur 2 stabile Tische.



    Meine (maschinelle) Werkstatteinrichtung ist minimal:



    Tischkreissäge, auch zum Schlitze sägen

    Bohrständer mit Maschinenstraubstock und Handbohrmaschine

    selbstgebauter Tellerschleifer



    selbstgebaute Leimpressen

    selbstgefertigte Schleifbrettchen



    das übliche Heimwerker-Kleingerät

    (Schraubstock, Schraubzwingen, Bohrer, Feinsägen)



    Aus heutiger Sicht wären zusätzlich wünschenswert gewesen:



    eine Hobelmaschine

    eine Bandsäge

    eine Bandschleifmaschine mit einer Auflagefläche von ca. 80 x 15 cm



    Bei den Materialkosten ging ich vom Bau meines Positivs aus.



    Gut - ich habe damals (1980 - 2000) sehr kostengünstig eingekauft:

    Fichte-Bretter (Reste) aus einem Sägewerk bei uns am Dorf,

    hobeln lassen bei einem Schreiner bei uns am Dorf,

    dickes Sperrholz und Dachlatten aus dem Baumarkt,

    dünnes Sperrholz und Mehrschichtplatte (und etwas Feinwerkzeug) aus der Auflösung

    eines Hobbygeschäftes, Bohrer vom Flohmarkt.

    Und viel Recycling-Material: Hartholz von alten Möbeln, Kunststoff, Blech, Leder...

    Und ich hatte kaum Abfall, jedes kleine Reststück wurde für etwas anderes verwendet.



    Wenn man natürlich jede Holzleiste und vor allem Hartholz (Eiche), Leder, Metall

    in Fach- und Hobbygeschäften kauft/kaufen muss, und diese eventuell dort

    gleich zusägen lässt, ferner Orgelteile fertig bezieht und einen größeren

    Aufwand bei der Optik des Gehäuses treibt, geht dies ins Geld.

    Aber braucht man unbedingt Ebenholz, Mooreiche, Elfenbein, Messingbronce-Federdraht,

    Schmid-Dichtungsringe, Plexiglas-Schleifen, Klaviaturstifte... ?

    An meinem Positiv sind (natürlich selbstgemachte) Register-Schildchen u.a. aus

    Berberitzen-, Weissdorn- Flieder- und Hundsrosen-Holz, Tasten aus (Wild-)Zwetschge, zum

    Nullkostentarif aus einer straßenbau-gerodeten Hecke nebenan. Wo könnte man wohl

    so ein farbiges hartes Holz zu welchen Mindestmengen und Preisen kaufen ?

    (Die Antwort ist: nirgends, aber zu 1000 Euro).



    Die von mir angegebenen Kosten sind zugegebenermaßen als Mindestkosten

    anzusehen, die bei einem noch vertretbaren Arbeitszeitaufwand entstehen.

    Aber wenn Zeit keine Rolle spielt - gezielte Materialsuche und möglichst alles

    selber machen (können), ist es möglich.



    Wenn man es auf die Spitze treibt (ich habe vor Jahren schon mal mit dem

    Gedanken gespielt), könnte man ein Positiv ganz aus

    Haushalts-Recycling-Material bauen. Mit einem Holz-Anteil von 99%.

    Und mit einer Lebensdauer von mehreren hundert Jahren.

    Ähnliches haben Tiroler und Schweizer Autodidakt-Orgelbauer vor 500 Jahren wohl

    schon in abgelegenen Gebirgsdörfern geschafft, ich kenne zwar kein erhaltenes Exemplar,

    aber manches weist darauf hin.



    Ich kann mir aber vorstellen, dass das Restaurieren einer Orgel zu wesentlich höheren

    Kosten führt, sollen doch adäquate Materialien (und Verarbeitungen) verwendet werden.

    Zudem werden beim professionellen/halbprofessionellen Orgelbau höhere Ansprüche

    an Qualität und das Fertigen genau nach Plan und "aus einem Guss",

    Servicefreundlichkeit, Benutzungs- und Transportstabilität gefordert,

    was ein kostengünstiges Improvisieren weitgehend ausschließt.



    Ich habe auch mal die einzelnen Arbeitsgänge beim Bau einer (einzelnen) Holzpfeife:

    (Gedackt, Länge 30 cm) detailiert festgehalten:

    es sind über 100, die Zeit an die 2 Stunden. Bei rationeller Fertigung (in Serie, alle

    Arbeitsgänge durch das gesamte Register) lassen sich diese Werte halbieren).



    Zu meinen detailierten Zahlen kam ich durch das Führen eines "Werkstattbuches"

    während meines 20 Jahre dauernden Positiv-Baues. Die Zeiten haben ich am Schluss

    am PC mit Excel ausgewertet. Dabei musste ich eine gewisse Rundung/Verifizierung

    machen, weil auch Daten enthalten waren, die nicht zum direkten Positiv-Bau gehörten:

    Bau von Hilfs-Vorrichtungen, vergebliche Versuche mit einem Gebläse-Selbstbau,

    Aufräum- und Werkzeug-Schärfarbeiten, Pfeifenumstellungen, nachträgliche Erweiterungen,

    etwas Ausschuss durch ungenaues Arbeiten, mehrmaliges Stimmen...



    Würde ich jetzt noch ein zweites Positiv bauen, gingen manche Arbeitsgänge schneller,

    hätten eine andere Reihenfolge oder würden ganz entfallen.

    aber auch am Gesamt-Konzept würde sich wohl einiges ändern.

    Als Autodidakt musste ich viele Male "das Rad" bzw. "die Mitteltönige Stimmung neu erfinden".

  • Beim Lesen dieser sehr aufschlußreichen Liste über Zeit und Preise kann ich nur immer wieder dazu raten, die Holzorgelpfeifen aus Sägefurnieren zu bauen. Wir kaufen seit Jahren unser Holz bei Firma Bluhme in Niestetal bei Kassel.Die Sägefurniere sind bereits entsprechend kalibriert und können in jeder Stärke und Holzsorte bestellt werden. Man braucht nur fein zu schleifen, weil der Sägeschnitt sehr fein ist.

    Wir haben für die Holzpfeifen von Gedackt 8'(Fichte, Eiche), Gedackt 4'(Birne), Rohrflöte 4' (Eiche, Birne), Prinzipal 4'(Birne), Nassat 2 2/3'(Eiche, Fichte) und eine kleine Holzzimbel (Eiche) nicht ganz 1000 Euro bezahlt und haben immer noch einen kleinen Holzvorrat! Man bekommt auch kleine Stücken seltener Hölzer zu ganz akzeptablen Preisen, z.B. brauchten wir für eine Klaviatur Ebenholz und sind mit einem Furnierblatt 3 mm für 23 Euro ausgekommen.

  • Reinhold Schafroth:


    ... an 8 Monaten pro Jahr und 10 bis 12, bzw. 3 - 4 Stunden pro Woche Arbeitszeit ergeben sich folgende Bauzeiten ...





    Das finde ich bewundernswert, wenn man nur 3 - 4 Stunden pro Woche Zeit findet, dennoch solch ein großes, langwieriges Projekt anzugehen, wie es Hausorgeln, und seien es "nur" Positive, darstellen!





    Da es berufliche und familiäre Verhältnisse mir nun ermöglichen, an den meisten Abenden wenigstens wieder zwei Stunden Zeit für den Orgelbau zu finden und zudem auch an den Wochenenden dafür "frei" habe, getraue ich mich, nach über 20 Jahren Orgelbauabstinenz nun endlich wieder damit anzufangen in der Hoffnung, in einem überschaubaren Rahmen das geplante Werk auch zu vollenden - zwar sagt man mir Ausdauer nach, indes wäre ich mir nicht sicher, ob ich jemals die Sache beenden würde, wenn sie sich über Jahre hinweg erstreckt.





    Nochmals meine Hochachtung vor allen, denen es trotz Zeitmangel gelingt, an dem Projekt stetig weiterzuarbeiten in allerkleinsten Schritten!