Mensurtafeln etc.

  • Einen lieben Gruß an alle!



    Da ich mich (wie sicherlich hinlänglich bekannt) intensiv mit historischem Orgelbau beschäftige, kommen immer wieder die Fragen nach den Mensurationsmethoden der Alten.

    Dom Bedos' Methode ist bekannt, weil in seinem Buch beschrieben.

    Allerdings fällt auf, daß besonders die mittelrheinischen Meister lange Zeit ein System verwandt haben, das nicht mittels Dom Bedos darstellbar ist, da dann von Oktave zu Oktave das sog. Arcanum geändert werden müßte.



    Bei meinen Untersuchungen zu den Mensuren der Orgelbauerfamilie Stumm bin ich darauf gestoßen, daß man nur dann eine Gerade erhält, wenn man sowohl x- als auch y-Achse quasi-logarithmisch aufteilt.

    Erst im 19. Jahrhundert stellt man (ab 1850) eine Änderung unter Verwendung des Töpferschen Systems fest.



    Vielleicht hat jemand von Euch schon einmal in irgendeiner Weise Erfahrungen mit historischen Mensurdarstellungen gesammelt. Das Problem mit meinen "Stumm-Erkenntnissen" ist ganz einfach das, daß damals sicherlich kein 10-log benutzt wurde.

    Und die Darstellung als Gerade auf einer Tafel ist notwendig, um einfach und schlicht die Umfangmaße greifen zu können.



    Klais hat vor einem Jahr eine Mensurtafel der Werkstatt Stumm aus dem Heimatort Sulzbach erhalten, allerdings konnte ich selbige noch nicht selbst sehen. Vermutlich befindet sich in Sulzbach noch mehr, aber die Bewohner horten sicherlich ihre historischen Schätze, da mit Erlöschen der Firma Stumm 1920 vieles von der Fa. O. aus W. (PLZ 55452, wer es rausfinden will) abgegrast wurde, offiziell aber nicht auffindbar ist.



    Für jeden Hinweis in Richtung historische Mensurdarstellungen bin ich dankbar.

    Es wurden ja schon viele Bücher und Dissertationen über die mittlrheinischen Meister verfaßt, nur die Mensurfrage wurde immer umschifft, da man nie genau sagen konnte, welches System zugrundeliegt. Ich bin kurz davor, das Geheimnis zu knacken, möchte aber mittels Eurer Hilfe Hinweise auf mögliche Alternativen bzw. Grundlagen.



    Besten Dank und Grüße aus dem Soonwald,



    Andreas Keber

  • Hallo Andreas,



    kennst Du die Werkstattaufzeichnungen von Ignaz Bruder von 1829, zusammengefasst von Karl Bormann? Es ist die 34. Veröffentlichung der GdO mit dem Titel:

    "Orgel- und Spieluhrenbau", Verlag Sanssouci AG Zürich, 1968, ISBN 3 7254 0043 1.

    Das Buch ist nicht mehr im normalen Buchhandel zu erhalten.



    Viele Grüße

    Thomas Reinhardt

  • Grüss Gott Herr Keber,



    Zwei kleine Hinweise, die unter Umständen für Sie von Nutzen sind.



    1.) Wenn ich nicht irre wurden die ersten Logarithmentafeln von John Napier, Baron of Merchiston 1614 unter dem Titel " Mirifici Logarithmorum canonis descriptio " veröffentlicht. Jost Bürgi ein Freund und Mitarbeiter von Kepler hatte seine Tafeln aber bereits 1610 berechnet, verheimlichte diese Arbeit bis 1620. Als die Briten kurz vor dem ersten Weltkrieg in Edinburgh das 300jährige Jubiläum der ersten Logarithmentafel feierten, anerkannten sie in sachlicher Weise Jost Bürgis Leistung. Die Orgel in Sulzbach wurde meines Wissens 1746 von Stumm erbaut. Wäre es nicht möglich dass Stumm doch Kenntnise von den Logarithmen hatte ??



    2. ) Mein leider allzufrüh verstorbener Freund Axel Leuthold hat 2002 seine Dissertation mit dem Titel: Die Berechnungsgrundlagen der Orgelpfeifenmensuren in Renaissance und Barock - Methoden zu Ihrer Rekonstruktion und Systematisierung geschrieben. Weil Hr. Dr. Leuthold kurze Zeit später an einer tückischen Krankheit verstarb, haben in verdienstvoller Weise Hr. Prof. Dr. U.Pape Berlin und Hr. Dr. M.Brandazza MH Luzern diese Arbeit herausgegeben. Sie ist 2004 im Pape Verlag in Berlin erschienen. Ich bin sicher, dass Sie hier einige Hinweise finden werden.



    Mit freundlichen Grüssen



    Hermann Werlen

  • Hallo, Herr Brünner!



    Ihre Analyseprogramme waren mir bislang die wohl größte Hilfe.

    Habe Sie auch vornehmlich für die Rekonstruktion fehlender Originalpfeifen benutzt.

    Etliche befreundete Orgelbauer erfreuen sich ebenso an Ihren Programmen.

    Allerdings zeigt sich bei Stumm eben das Problem, daß von Oktave zu Oktave das Arcanum wechselt.

    Mal erhält man über drei Oktaven einen goldenen Schnitt, dann wieder eine Teilung 1:2, dann wieder nur wechselnde Oktavteilungen und Arcana.

    Das ist eben das große Problem. Es ist kein System erkennbar, das mittels Dom Bedos oder Töpfer oder... herleitbar wäre.

    Ich werde demnächst zu Klais fahren, Dr. Theobald hatte nämlich die seltene Gelegenheit, originale Mensurtafeln auswerten zu können.

    Mein Ergebnis teile ich gerne mit!



    Mit besten Grüßen



    Andreas Keber



    http://www.stummorgel-hergenfeld.de