Tastenteilung als Begrenzung der Registerzahl?

  • Hallo Orgelbaufans,



    gibt es eine sinnvolle Begrenzung der Registerzahl (bzw. des Windverbrauches) bei Windladen mit Tastenteilung? Oder laesst sich die Windlade in Kanzellenrichtung beliebig strecken?



    Ich hatte mal von einer Loesung gehoert die die ueblichen Ventile ersetzt. Bei ihr gab es keine Kanzellen, sondern jede Pfeife eines Tones hatte eine durchgehende Bohrung zur Windlade und aehnlich den Springladen ging fuer alle Pfeifen des Tones ein "Ventil" auf beim Druecken der Taste.



    Wie das ganze technisch zu loesen ist weiss ich nicht. Wer kann dazu etwas sagen?



    Viele Gruesse

    Thomas Reinhardt

  • Hallo Thomas!



    Wenn Du Tastenteilung machst, hast Du generell schmale Kanzellen. Das hat entscheidenden Einfluß auf den maximal möglichen Windverbrauch der entsprechenden Pfeifen.

    Zu viele Pfeifen auf einer Kanzelle führt dann zur Windarmut, das bedeutet, beim Drücken der Taste, wird zuerst alles anklingen (ich setze voraus, man spielt volles Werk), dann aber absacken, weil durch die enge Kanzelle und die hohe Strömungsgeschwindigkeit ein Druckverlust entsteht.

    Deswegen sollte man bei Tastenteilung und einer auf einem 8'-Gedackt basierenden (brauchbaren) Disposition die Registerzahl auf maximal vier Stück begrenzen (8', 4', 2', 1')

    Alles andere wird nur schwer zu intonieren und selbst dann immer "gequetscht" klingen, weil eben Wind fehlt.

    Überlege Dir mal, wie ausgiebig bei den Alten das Thema Wind behandelt wurde. Hier war es Praxis, von großen Keilbälgen über immer enger werdende Windkanäle (großer Sammelkanal, kleinere Abzweigkanäle) und schließlich hin zu den Kanzellen, die exakt den Pfeifenstockbohrungen angepaßt waren, den unweigerlich entstehenden Druckabfall (durch die Windströmung) auszugleichen.

    Bei Stumm z. B. hat jede Kanzelle eine andere Breite. Es war nicht so, wie heute üblich, mal ein Maß für 5 Töne zu nehmen.

    Stumms Kanzellenbreiten, auf ein Maßbrett aufgetragen, sind wie eine Mensurlinie. Man kann sie schön mit einem Zirkel abgreifen, je nachdem, wieviele und welche Register man disponiert. Und weil die Alten oft drei, vier Standard-Dispos hatten, brauchte man auc nur drei, vier Linien auf einem Brett. Zum einen eine rationelle, aber zum anderen eine technisch und physikalisch ausgeklügelte Sache.

    Warum möchte eigentlich jeder eine Tastenteilung. Klar, einfache Trakturführung, chromatisch etc.p.p.

    Aber...

    Warum wagt sich keiner an eine seitenspielige Orgel.

    Das Wellenbrett ist einfach zu bauen. Man kann die Kanzellen groß genug machen und dabei noch ganz einfach den Prospekt gestalten.

    Man wird jetzt sagen, schön und gut, aber der Platz...

    Was haltet Ihr von dieser Hausorgel? ->



    http://www.orgel-art-museum.de/orgeln/stumm-orgel.htm



    Liebe Grüße,

    Andreas Keber

  • Nach ein Nachschub:



    Was Du ansprichst, sind die sog. Universal- oder auch Unit-Laden.

    Mit einem Magneten versehen, kann man sich dann eine Multiplex-Orgel bauen.

    Mechanisch ist das ganze Spiel zu lösen wie bei einer mech. Kegellade. Allerdings denke bitte mal über den Druckpunkt der Taste nach. Ich kenne mech. Kegelladen-Orgeln, die, weil eins, zwei Kegel Probleme machten, ein Zusatzgewicht auf die Wippen bekommen haben. Wenn Du dann noch die Manualkoppel ziehst, ist Schluß mit Virtuosität und "Tastenflitzen". Dann wird Adagio gespielt und man hat nach der Messe einen Muskelkater.

    Außerdem haben Kegelladen eine andere Art der Klangverschmelzung als Tonkanzellen-Laden.

    Ein auf der Kegellage schön und sauber ausintoniertes Register wird auf der Schleiflade zu 99% Fehler aufweisen.

    Umgekehrt klingt ein auf der Schleiflade mittelmäßig ausintoniertes Register auf der Kegellade immer gut.

    Man mag es kaum glauben, aber an dem vermuteten Luftpuffer in der Kanzelle der Schleiflade und dem kurzen Weg vom Kegel zur Pfeife ist was dran, auch wenn es physikalisch schwer zu beweisen ist. Nur will ich jetzt hier nicht wieder den Krieg der Orgelbewegung gegen die Kegelladen heraufbeschwören, da auch Kegelladen ihre Vorzüge haben, besonders bei romantischer Orgelmusik.

  • Hallo,



    >Bei Stumm z. B. hat jede Kanzelle eine andere Breite. Es war

    >nicht so, wie heute üblich, mal ein Maß für 5 Töne zu nehmen.

    >Stumms Kanzellenbreiten, auf ein Maßbrett aufgetragen, sind

    >wie eine Mensurlinie. Man kann sie schön mit einem Zirkel



    wenn die Kanzellen unterschiedliche Luftvolumen enthalten (und die darauf stehenden Pfeifen auch verbrauchen) hat das dann auch Auswirkungen auf die Ventilgröße?

    Oder hat jeder Ton (zumindest eines Registers) auch gleich große Ventile und Ventilöffnungen?



    Johannes

  • Hallo Johannes!



    Wir reden hier von Tonkanzellenladen. Das heißt, pro Taste ein Ventil und eine Kanzelle, darüber stehen die Pfeifen dieses Tones für jedes Register. Nur bei der Registerkanzellenlade, z.B. Kegellade, hat jede Pfeife ein Ventil.

    Bei der Tonkanzellenlade (Schleiflade) in der Stummschen Bauart hat auch jedes Ventil von z.B. C-c3 eine abnehmende Breite. Der Überstand des Ventils (links und rechts an der Kanzellenöffnung) beträgt durchgehend 5mm.



    Grüße,

    Andreas

  • >Wir reden hier von Tonkanzellenladen. Das heißt, pro Taste

    >ein Ventil und eine Kanzelle



    Anfängerfehler.

    Aber ich habe es zumindestens gemerkt, als der Beitrag gespeichert war. Register ist natürlich Quatsch.

    Was ich eigentlich meinte ist wohl eher, ob die Kanzellen pro Werk unterschiedliche Ventilgrößen haben.

    Also z. B. im Pedal größere Ventile.



    Also Mensurmäßige Ventilgrößen.

    Warum ich die Frage eigentlich gestellt habe, weil ich mir nicht sicher war, ob das überhaupt geht. Mal angenommen, vom tiefsten zum höchsten Ton ist das Ventil dreimal so breit.

    Damit hat es ja auch die dreifache Fläche. Diese Fläche wird mit dem Überdruck an das Kanzellengitter gepresst.

    Ist dann nicht für das Drücken der tiefsten Taste größerer Widerstand zu überwinden als für die höchste Taste?



    Johannes

  • Hallo Johannes,du hast völlig recht,aber in der Literatur findet man oft Hinweise,daß die Orgelbauer für die tiefen Basspfeifen bisweilen 2od.3Ventile für einen Ton koppelten.

    Zitat aus Orgel u.Spieluhrenbau im Abschnitt Windladenbau:

    "Die Pfeifen der unteren Oktave erhalten immer 2Kanzellen,wobei der trennende Kanzellenschied durchbrochen wird.Diese Töne haben 2Ventile.Bei sehr grossen Orgeln sind 3 Kanzellen und 3Ventile anzulegen,die an einen dreiarmigen Wellenarm(Wellenbengel) zu hängen sind,sich also zusammen wie ein einziges Ventil öffnen.3schmale Ventile gehen leichter als ein entsprechendes breites.Man darf nur die Ventilfeder nicht zu stark spannen."

    Zitatende

    Ich denke damit ist alles gesagt.

    Gruß Jürgen

  • Hallo zusammen



    ich meine, die Frage von Thomas Reinhardt wurde noch nicht beantwortet.

    Eine Windlade mit Tastenteilung macht ja nur Sinn, wenn seitlich Platz gespart werden muss und wenn man kein Wellenbrett bauen will. Das heisst also, dass für jeden Ton – und zwar von C – f3, 13,6 mm zur Verfügung stehen. Diese 13. 6 mm werden verteilt auf 2 x cirka 2 mm Ventilauflage, 2 x 0.5 - 1 mm Ventilzwischenraum. Das ergibt eine Kanzellenbreite von 8 mm.

    Die Windlade in Kanzellenrichtung beliebig strecken, das geht glaube ich nicht. In beschränktem Mass liesse sich etwas machen, indem man die Ventile länger und die Kanzellen etwas höher macht (Querschnittvergrösserung).

    Bei meinem Positiv

    Principal 8’

    Gedacht 8’ (grosse Oktave gemeinsam)

    Flöte 4’

    Nasat 2 2/3’,

    Superoctave 2’

    Regal 8’ (auf sep. Stecherlade)

    habe ich Cis, Dis, F, G, A, H, cis, dis mit einem Wellenbrett auf die Diskantseite geführt. Dadurch habe ich die Kanzellen C bis dis zirka 18 mm breit bauen können. Die restlichen Kanzellen sind 8 mm breit.



    Mit freundlichen Grüssen

    Ruedi Wernli

  • Hallo Andreas, Liebe Orgelbaufans,



    stimmt meine Frage ist noch nicht beantwortet. Mit der Antwort 8-4-2-1 als Maximumdisposition von Andreas ist ein Teil beantwortet. Offen ist noch wie das Ventil aussah, bzw. aussehen könnte. Gab es da nicht von Casperini (?) eine Lösung, bei der ein parallel aufgehender Balken gleichzeitig alle Öffnungen unter den Pfeifen aufmachte?



    Ich stimme Andreas zu, daß eine seitenspielige Orgel eine sehr interessante Möglichkeit ist. Mit ihr kann die Höhenrestriktion von Hausorgeln in Räumen umgangen werden. Oft wachsen Orgeln zu sehr in die Breite. Bei der seitenspieligen Orgel kann die Prospektgestaltung losgelöst werden von der Gestaltung des "Spieltisches". Die Windlade kann weit unten liegen, die Pfeifen haben Platz in die Höhe und die Gestaltung des Prospektes ist frei möglich. Ich stelle mir sogar vor, wie die Orgel im Diskant mit hängender Traktur, kleinem Wellenbrett und Windladenteil über der Klaviatur, dabei die Ventile zugänglich zum Spieler, aufgebaut sein kann. Dann wächst der Prospekt (für den Bass, links vom Spieler) nicht zu sehr. Der Spieler könnte eventuell die kleinen Pfeifen sehen. Die Orgel bekommt einen L-förmigen Grundriss. Hat jemand so eine gemischte Lösung realisiert?



    Viele Grüße

    Thomas Reinhardt

  • Hallo Herr Reinhardt



    Bei folgender Internetadresse ist u.A. folgendes über Casparini zu lesen:



    http://www.musikland-tirol.at/…ob/Casparini-Eugenio.html



    Häufig erhob er Nachforderungen für angeblich über den Kontrakt hinaus geleistete Arbeiten. Eine genialische Natur, baute er kanzellenlose Schleifladen mit separaten Windzuführungen für jede Pfeife, wobei die Ventile sich seitlich öffneten, was eine zähe Spielart verursachte. Er experimentierte mit der Gewinnung von mehreren Registern aus einer Pfeifenreihe, was auch von etlichen seiner Zeitgenossen (z.B. Daniel Herz, Franz Köck und Joh. Caspar Humpel) praktiziert wurde. Die technische Realisierung hielt offenbar mit den hochfliegenden Ideen Casparinis nicht immer Schritt, so dass Klagen über mangelhafte Funktionssicherheit nicht ausblieben. Er gehört also zu den schillernden Persönlichkeiten unter den Orgelbauern.



    Mit freundlichen Grüssen

    Ruedi Wernli